„…dass ich in den Himmel komm'“

Was ist richtig, was ist falsch? Was darf ich als Christin? Wie diese Frage dazu führte, dass sie ihren Glauben beinahe über Bord warf, erzählt Karin Ilgenfritz.

Gibt es im Leben eines Christenmenschen richtige und falsche Verhaltensweisen? Karin Ilgenfritz ist dem nachgegangen.
Gibt es im Leben eines Christenmenschen richtige und falsche Verhaltensweisen? Karin Ilgenfritz ist dem nachgegangen.TSEW

Der Gott meiner Kindheit war einer, der nachts über mich wachte. Dem wir vor dem Essen dafür dankten, dass wir genug hatten und satt wurden. Und es war der Gott, der den verlorenen Sohn wieder annahm, obwohl der das ganze Geld verprasst hatte.

Nach meiner Konfirmation ging ich in die Jugendgruppe. Tolle Unternehmungen reizten mich. Allen voran die Zeltlager in den Sommerferien. Aber auch die wöchentlichen Jugendrunden, wo wir anschließend in die Eisdiele oder in die Pizzeria gingen. Immer weniger allerdings gefiel mir, dass es da einige Menschen gab, die einen ganz anderen Gott vermittelten, als ich ihn bisher kennengelernt hatte. Einen, der genau darauf achtet, ob ich regelmäßig „stille Zeit“ mache und ob ich „richtig“ bete – nämlich vor allem Fürbitte für andere und nicht egoistisch für mich.

Bei der Wiederkunft Jesu hat der Pech, der kein einwandfreies Leben führte

Dann kamen Themen auf wie die Wiederkunft Jesu. Wer kein einwandfreies Leben führte, hatte dann Pech. Der war für immer verloren. Und einwandfrei bedeutete: Kein Alkohol, nicht rauchen, kein Sex vor der Ehe, nicht tanzen.

Und keine „böse“ Rockmusik hören. Ein Freund hat daraufhin tatsächlich sämtliche Platten vernichtet – von ACDC bis Frank Zander.

Sollte ich jetzt auch meine Rolling Stones-Platten wegwerfen? Sollte ich auf den Tanzkurs verzichten? Als wenn das so einfach wäre… Mit der Zeit hatte ich das Gefühl, ich muss mir die Liebe Gottes hart erarbeiten – und immer Angst haben, dass es nicht reicht. Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass mir so ein Gott definitiv zu anstrengend ist. Ich wollte alles hinschmeißen und die Sache mit dem christlichen Glauben sein lassen.

„Gott wird dich immer lieben.“

Zum Glück gab es in unserer Jugendgruppe auch andere Menschen, denen auffiel, dass ich mich zurückzog. Die nachfragten. Ich habe mir alles von der Seele geredet. Ihre Antwort in groben Zügen: „Gott wird dich immer lieben. Egal wieviel und was du betest, wie oft du „Stille Zeit“ machst, welche Musik du hörst, ob du rauchst oder tanzt. Ausschlaggebend ist das Doppelgebot der Liebe: Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst.“

Also blieb ich dabei, änderte aber meine Gewohnheiten wieder und schaute mehr darauf, was mir guttat. Ich ging tanzen. Das machte Spaß. Alkohol und Zigaretten schmeckten mir nicht. Rolling Stones höre ich immer noch. Und übrigens: Die engsten Freundschaften, die ich heute habe, gehen auf meine Jugendgruppe zurück.

Jeder Mensch hat die Freiheit, seinen Glauben zu gestalten

Aber auch heute noch wundere ich mich über Menschen, die anderen vorschreiben wollen, was sie zu glauben haben. Die für sich etwas erkannt haben und meinen, das gelte für alle anderen auch. Wenn es jemandem guttut, täglich eine halbe Stunde in der Bibel zu lesen – toll. Aber wenn andere lieber im Wald spazieren gehen, meditieren oder nur gelegentlich zum Gottesdienst gehen, ist das ebenso in Ordnung.

Gott sei Dank gibt es keine Inquisition. Wir haben alle Freiheiten, unseren Glauben so zu gestalten, dass wir gut damit leben können. Wichtig ist nur, Gott und die Nächsten nicht aus den Augen zu verlieren und in barmherziger Liebe miteinander umzugehen.