Das würde Jesus zur Organspende sagen

Soll man oder soll man nicht? Organspende ist ein schwieriges Thema. Das weiß auch der Hamburger Krankenhausseelsorger Christian Schoberth. Im Interview berichtet er von seinen Erfahrungen.

In Boxen kommen die Organe in den OP-Saal
In Boxen kommen die Organe in den OP-SaalAnnette Zöpf / epd

Als Seelsorger in der Uniklinik Eppendorf begegnet Christian Schoberth kranken Menschen, die auf ein Spenderorgan warten. Und er spricht mit Eltern, die entscheiden müssen, was mit den Organen ihres hirntoten Kindes passiert. Zum Tag der Organspende am 1. Juni hat Kristina Larek mit ihm gesprochen.

Herr Schoberth, hätte Jesus einen Organspenderausweis gehabt?
Christian Schoberth: So wie ich Jesus kennen und schätzen gelernt habe, hat er oft aus der Situation heraus entschieden. Daher glaube ich, er hätte keinen Organspenderausweis gehabt, sondern mit den Menschen ganz verantwortungsvoll über eine solche Entscheidung gesprochen – so wie wir das jetzt in seiner Nachfolge auch tun.

Sie sind seit mehr als 20 Jahren Krankenhausseelsorger. Wie begegnet Ihnen das Thema Organspende?
Ich erlebe Menschen, die dringend auf ein Organ warten. Ich denke an einen Mann, der seit Monaten auf der Intensivstation liegt, an Schläuche angeschlossen ist und jetzt endlich für eine Lebertransplantation gelistet ist. Aber ich erlebe auch die andere Seite, wenn die Angehörigen im Zimmer des Arztes entscheiden müssen, ob sie die Organe eines Hirntoten spenden lassen wollen.

Mit einem Spenderorgan kann ein Kranker weiterleben. Helfen Sie Menschen, das Positive an einem Trauerfall zu sehen?
Das mache ich eben nicht. Wenn ein Kind im Sterben liegt, kann ich nachvollziehen, wenn die Eltern sagen: Ich möchte mein Kind nicht aufschneiden und ausschlachten lassen. Und ich kann genauso gut die Eltern verstehen, die sagen: Es ist schön, dass es die Möglichkeit zur Organspende gibt. Ich begleite beide gleich gern und ohne Hintergedanken. Mir ist ein klares Nein lieber als ein wackeliges Ja.

Christian Schoberth. Foto: Friederike Lübke

Es wird gerade viel über Organspende diskutiert. Welche Lösung finden Sie am besten?
Als Krankenhausseelsorger halte ich es für keine gute Lösung, wenn jeder zum Organspender werden kann, der zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widerspricht. Wie sich ein Mensch entscheidet, kann ihm weder die Politik noch ein Ärzteteam abnehmen. Ich finde es aber wichtig, dass sich die Menschen Gedanken machen. Dazu möchte ich alle aufrufen. Wenn ich mir klar werde, dass ich sterben muss, dann gelingt es mir zu überlegen: Was passiert mit meiner Seele? Und was mit meinem Körper?

Das heißt, man muss den Tod aus der Tabuzone holen?
Als Seelsorger möchte ich anderen helfen, sich an den Gedanken zu gewöhnen und nicht nur Angst davor zu haben. Obwohl der Tod immer ein angstbesetztes Thema bleibt.

Was sagen Sie, wenn Sie ein Kranker fragt: Soll ich als Christ Organe spenden oder nicht?
Wenn ein Mensch schwer krank ist, kommt er als Organspender gar nicht infrage. Aber ich würde ihn dort abholen, wo er ist. Oft ist die erste Frage gar nicht die, um die es eigentlich geht. Sie ist nur ein Türöffner. Ich habe einen jungen Menschen vor Augen, der eine Diagnose bekommen hatte und mich fragte: Wie bringe ich das jetzt meinen Eltern bei? Da habe ich gesagt: Reden wir doch erst mal darüber, wie es Ihnen jetzt geht. Dieser Mensch brauchte Halt und jemanden zum Reden. Im Gespräch kommen dann auch die Entscheidungen heraus, die schon im Menschen liegen.

Damit ein Kranker ein Spenderherz bekommt, muss ein anderer Mensch sterben. Wie gehen die Patienten damit um?
Es beeindruckt mich immer wieder, dass die meisten Menschen es genauso formulieren: Ich weiß, dass mein Wunsch nach einem neuen Organ den Tod eines anderen Menschen voraussetzt. Es kommt auch vor, dass sie nach der Operation sagen: Ich habe das Organ in meinem Körper begrüßt und überlegt: Von wem bist du? Wer hat dich bisher durchs Leben geführt? Es gibt aber auch solche, die keine Empathie haben und nur sagen: Ich brauche ein neues Herz. Basta.

Hat Organspende etwas mit Nächstenliebe zu tun?
Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, dass viele Patienten ein Bewusstsein dafür haben, dass sie ein Geschenk bekommen. Viele empfinden große Dankbarkeit, nicht nur für den Spender, sondern auch darüber hinaus.

Wie halten Sie das persönlich? Haben Sie einen Organspenderausweis?
Ich habe weder einen Organspenderausweis und noch eine Patientenverfügung. Ich würde jetzt meinen Körper zur Organspende zur Verfügung stellen. Aber ich weiß nicht, wie es in fünf Wochen oder fünf Jahren sein wird. Ich möchte mich nicht für etwas festlegen, das später sein wird. Deshalb habe ich viel mit meinem Mann und meinen Angehörigen darüber gesprochen, in der Hoffnung, dass sie dann entscheiden können, was in meinem Sinne ist.

Info
Einen Organspendeausweis können Sie hier erstellen.