Der gewaltsame Tod von neun Menschen aus rassistischen Gründen vor fünf Jahren ist in der hessischen Stadt Hanau bis heute unvergessen. Dort soll nun ein Mahnmal entstehen – und ein Zentrum für Demokratie und Vielfalt.
Es war eine Nachricht, die deutschlandweit und darüber hinaus für Entsetzen sorgte: Am 19. Februar 2020 erschoss der 43-jährige Tobias R. binnen weniger Minuten neun Menschen in Hanau – aus rassistischen Motiven. Anschließend tötete der Attentäter laut Ermittlern seine Mutter und nahm sich selbst das Leben. In der hessischen Stadt Hanau wird 2025 zum fünften Jahrestag der Opfer des rassistischen Amoklaufs gedacht.
“Wir vergessen Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtovic, Vili-Viorel Paun, Fatih Saracoglu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov niemals”, versichert Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) zuletzt im November 2024. Damals wird bekanntgegeben, dass die Stadt auf dem Kanaltorplatz einen zentralen Ort des Gedenkens an die Getöteten einrichten möchte.
Dort soll das seit langem gewünschte Mahnmal errichtet werden. Es wird aus den Namenszügen der Opfer bestehen. Denn Hanau will sie nicht vergessen. Kaminsky betont dieses Nichtvergessen immer wieder – seit fast fünf Jahren inzwischen. Das künftige Mahnmal namens “Einschnitt” wurde von Opferangehörigen und Fraktionsvorsitzenden des Stadtrats 2022 unter 118 eingereichten Vorschlägen ausgewählt.
Der Entwurf des Mahnmals stammt vom renommierten Künstler Heiko Hünnerkopf. Das Modell zeigt ein turmartiges Werk – ein Halbrund, das in seinem Inneren betreten werden kann und durch eine Informationssäule ergänzt wird. “Die Besucher komplettieren das Gesamtensemble, die Namen der Opfer rücken in deren Bewusstsein, sie bleiben unvergessen, der Kreis schließt sich zu einer Gemeinschaft in Erinnerung an den Anschlag”, heißt es in der Beschreibung des Werks.
Der Kanaltorplatz in der Innenstadt liegt zwischen den Tatorten. Künftig soll dort die Stelle des Mahnmals den gesonderten Namen “Platz des 19. Februar” tragen. “Das Mahnmal wird dann vor dem Haus für Demokratie und Vielfalt stehen”, sagt Kaminsky im Herbst 2024.
Beim “Haus für Demokratie und Vielfalt” handelt es sich ebenfalls um ein Projekt in Reaktion auf den 19. Februar: Das ehemalige Commerzbank-Gebäude soll nach Angaben der Stadt ein Ort für alle werden, die für die Demokratie und eine vielfältige Gesellschaft einstehen wollen.
“Aus diesem Gebäude, in dem einst Konten eröffnet und Kreditverträge geschlossen wurden, wird ein Haus der Begegnung werden”, erklärt Bürgermeister Maximilian Bieri: “Es wird Veranstaltungen, Projekte und Workshops, Ausstellungen und Vorträge geben. Das Zentrum ist ein Haus von Hanau, für Hanau und wegen Hanau.”
Für das Jahr 2026 ist die Eröffnung geplant. Der offizielle Start für den Umbau des ehemaligen Bankhauses findet symbolisch am fünften Jahrestag des Attentats statt – am 19. Februar 2025. Zeitgleich mit der Eröffnung des neuen öffentlichen Gebäudes im kommenden Jahr wird auch das zentrale Mahnmal zum Gedenken eingeweiht.
Voraussetzung dafür ist, dass die Stadtverordneten Ende Januar dem Bauvorhaben zustimmen und einen entsprechenden Beschluss verabschieden. Bereits heute erinnern Gedenktafeln mit den Namen der Opfer an den jeweiligen Tatorten in der Innenstadt und in Hanau-Kesselstadt an die Getöteten.
Außerdem wurde ihnen posthum die Ehrenplakette der Stadt Hanau in Gold verliehen. Nachdem der Landtag von Hessen vor etwas mehr als einem Jahr einen Untersuchungsbericht vorgelegt hatte, präsentiert Innenminister Roman Poseck (CDU) im Sommer 2024 einen Handlungskatalog zur Prävention – und er entschuldigt sich bei den Hinterbliebenen.
“Für mich steht außer Frage, dass in der Tatnacht und danach Fehler gemacht wurden, auch seitens der Polizei”, sagt Poseck damals und fügt hinzu: “Mir tut es persönlich über alle Maßen leid, dass die Angehörigen weiteres Leid erfahren mussten. Ich entschuldige mich ausdrücklich für die Fehler, die passiert sind.” Der Minister räumt zudem ein, dass es in Hanau während des Ereignisses nicht gelang, die Menschen zu schützen.
Für Hinterbliebene, Trauernde und Interessierte pflegt die Stadt Hanau unter “Hanau-steht-zusammen.de” ein digitales Denkmal im Internet. Während der Pandemie ab März 2020 war ein gemeinsames Trauern aufgrund von Corona-Schutzmaßnahmen zwischenzeitlich nur sehr eingeschränkt möglich.
“Der rassistische Anschlag vom 19. Februar 2020 hat sinnlos Mitmenschen aus dem Leben gerissen, den Familien der Opfer immenses Leid gebracht und uns alle schwer getroffen”, schreibt Oberbürgermeister Kaminsky dort.