Mosaik in Hamburger Hauptkirche St. Nikolai bekommt Schönheitskur

Das Mosaik „Ecce Homines“ hängt von der Decke vor dem Altar der Hamburger Hauptkirche St. Nikolai. Anja Brigitta Haase restauriert es – mit 400 Schwämmchen. Keine einfache Aufgabe.

 Anja Brigitta Haase restauriert das Mosaik in der Hamburger Hauptkirche St. Nikolai
Anja Brigitta Haase restauriert das Mosaik in der Hamburger Hauptkirche St. Nikolaiepd-bild / Evelyn Sander

Es ist wie eine Schatzsuche: „Hier, diesen blauen Glasstein gibt es auf dem ganzen Bild nur ein einziges Mal“, sagt Restauratorin Anja Brigitta Haase und lächelt. Vorsichtig tupft die 40-Jährige mit einem Schwämmchen den Staub vom Glassplitter. Wie viele farbige Steine in dem Mosaik „Ecce Homines“ nach einem Entwurf des expressionistischen Künstlers Oskar Kokoschka (1886-1980) stecken, weiß sie nicht genau. „Ich schätze, es sind etwa 35.700 Glassteine“, schmunzelt die Restauratorin, die zum 50. Jubiläum das zwei mal drei Meter große Altarbild in der Hamburger Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern reinigt und restauriert.

Das 800 Kilo schwere Kunstwerk hängt in mehreren Metern Höhe an Stahlseilen von der Decke über dem Altar. Für die Reinigung wurde es eingerüstet. „Ich musste mich erstmal daran gewöhnen, dass das Bild bei der Reinigung leicht schwankt“, sagt Haase und klappt die Lupenbrille vor ihre Augen. Jeder einzelne der farbigen Glaspartikel, die in Mörtel eingebettet sind, wird gesäubert. Zuerst mit dem Pinsel und kleinem Sauger, danach werden mit Wasser und Alkohol Staub, Ruß und Insekten von dem Altarbild entfernt.

Mosaik „Ecce Homines“ vor 50 Jahren eingeweiht

Viele lockere Steine hat Haase wieder fixiert und einzelne fehlende ersetzt. Vor 50 Jahren wurde das Mosaik am Karfreitag 1974 eingeweiht. „Trotz des Alters ist es in einem sehr guten Zustand“, findet die selbstständige Restauratorin aus Hannover, die in Norddeutschland vor allem Gemälde und Skulpturen bearbeitet. Knapp drei Wochen hat sie an dem Altarbild gearbeitet und fast 400 Schwämmchen verbraucht. Mithilfe der aufwendigen Maßnahme, die rund 13.000 Euro kostet, soll das sakrale Kunstwerk langfristig erhalten werden.

Der Kirchturm von St. Nikolai
Der Kirchturm von St. Nikolaiepd-bild / Norbert Neetz

Die verschieden farbigen Glasstifte erstellte Mosaikkünstler Sergio Cicognani im italienischen Ravenna nach einem Entwurf von Kokoschka. Sie ragen mit sehr unregelmäßigen Oberflächen ein Stück aus dem Mörtel heraus. „Es ist etwas Besonderes, dass zwei Künstler an dem Bild gearbeitet haben“, findet Haase. Durch die unregelmäßige Oberfläche werde das Licht in unterschiedlicher Weise gebrochen. Die Farbwahrnehmung habe sich jedoch durch die Verschmutzung der vergangenen Jahrzehnte verändert. „Jetzt bringt das einfallende Licht das Mosaik wieder richtig zum Strahlen“, freut sich die Restauratorin, die moderne Kunst ebenso wie Klassiker mag. „Es sind immer wieder neue Herausforderungen“, sagt Haase, die von den Details des Kokoschka-Kunstwerks fasziniert ist.

Das Altarbild des Künstlers Kokoschka stellt den leidenden, gekreuzigten Christus dar, zu seinen Füßen sitzt ein hämisch grinsender Kriegsknecht. „Das Altarbild ist nach gängigen ästhetischen Maßstäben nicht einfach schön oder gefällig“, weiß der Hauptpastor von St. Nikolai, Martin Vetter. Einige Betrachter fühlten sich provoziert, andere setzen sich dem Werk bewusst aus. „Das Mosaik mahnt, sich gegenüber menschlichem Leid aufzulehnen und dieses zu überwinden“, sagt der Pastor. Religiös verweist es auf die Menschlichkeit Jesu, der wie ein Mensch leide. Zugleich appelliere es an die Humanität und das Mitgefühl. Vetter: „Am Altarbild schätze ich besonders, dass es dazu auffordert, nach dem Wesen des Menschseins zu fragen.“ Aktuelle Themen, auch nach 50 Jahren.