„Da sein, wo die Menschen sind“

Feierliche Stimmung an einem für einen Gottesdienst ungewöhnlichen Ort: Der kleine Jesse wird auf der Brücke der Fregatte „Brandenburg“ in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen.

Mit reichlich Wasser tauft Kai Kleina den kleinen Jesse
Mit reichlich Wasser tauft Kai Kleina den kleinen JesseKlaus-Dieter Heimann

Wilhelmshaven. Kai Kleina ist seit wenigen Wochen Militärpfarrer bei der Marine in Wilhelmshaven. Gemeinsam mit Pfarrhelfer Gerold Redemann, der ebenfalls erst seit Kurzem in der Jadestadt ist, bilden die beiden das neue seelsorgerische Duo im evangelischen Militärpfarramt Wilhelmshaven III. Der mit rund 9000 Soldaten und Zivilbediensteten größte Marinestandort der Bundeswehr beheimatet darüber hinaus die evangelischen Pfarrämter Wilhelmshaven I und II sowie zwei katholische Pfarrämter.

Kai Kleina ist als Militärpfarrer kein Soldat, sondern wurde auf eigenen Wunsch von seiner Landeskirche für diese militärseelsorgerische Tätigkeit abgestellt. Bezahlt und ausgestattet wird er vom Staat, seine vorgesetzte kirchliche Dienststelle ist das Evangelische Militärdekanat Kiel. Als Militär­pfarrer wird Kleina nun für zunächst sechs Jahre im Dienst sein; eine Verlängerung um weitere sechs Jahre ist möglich.

Soldat auf Zeit

Der gebürtige Westfale war nach Studium und Vikariat ab 2006 zunächst Gemeindepastor in Tann in der Rhön und seit 2017 in der Wittmunder Kirchengemeinde St. Nicolai. Mit dem Wechsel nach Ostfriesland war er der See schon wieder sehr nahe gekommen: „Mich hat es seit meiner Bundeswehrzeit in Wilhelmshaven immer wieder ans Meer gezogen“, sagt Kleina. Bei der Marine hatte er sich 1992 als Soldat auf Zeit verpflichtet, nach etwa zwei Jahren schied der Offiziersanwärter einvernehmlich vorzeitig aus dem Militärdienst aus.

Nach einem Hurrikan habe er an Bord des Segelschulschiffs „Gorch Fock“ seine Berufung erfahren. Vorher habe er gar nicht an ein Theologiestudium gedacht, dann aber gewusst, dass dieser Weg der Richtige für ihn sei. „Meine Vorgesetzten hatten großes Verständnis für meine Entscheidung.“ Kleina erinnert sich: „Man hat mich mit den Worten ,Vielleicht sehen wir sie ja einmal als Militärpfarrer hier wieder‘ verabschiedet.“

Für die Taufe wird die Kommandobrücke wird zum Altar und die Schiffsglocke zum Taufbecken Foto: Klaus-Dieter Heimann
Für die Taufe wird die Kommandobrücke wird zum Altar und die Schiffsglocke zum Taufbecken Foto: Klaus-Dieter Heimann

Tatsächlich ist der 46-Jährige jetzt zurück an alter Wirkungsstätte. Als Geistlicher ist Kleina jedoch nicht in die militärische Hierarchie­ eingebunden. Das macht ihn unabhängig. Jeder Soldat darf sich an ihn wenden und natürlich auf das Beichtgeheimnis vertrauen. Als Militärpfarrer wird Kleina künftig immer nah dran sein an den Sorgen und Nöten der Soldaten. „Diese Kombination aus Unabhängigkeit und Verständnis hilft, dass Gläubige in der Bundeswehr ihre Religion leben und bei Problemen Unterstützung erhalten können“, wird in einer Broschüre der evangelischen Militärseelsorge erklärt. Und Kai Kleina unterstreicht: „Wir steigen komplett mit ein.“

Wenn zum Beispiel der Kommandant der Fregatte „Brandenburg“ beim nächsten Auslandseinsatz um seelsorgerische Begleitung bittet, dann gehen Seelsorger mit an Bord und auf große Fahrt. Gerade im Einsatz, wenn neben fordernden Situationen auch viel Zeit zum Nachdenken bleibe, „kommen viele dem lieben Gott sehr nahe“, sagt Pfarrhelfer Gerold Redemann. Und Kai Kleina ergänzt: „Gerade die Trennung von Partner, Partnerin und Familie ist ein Riesenthema.“

„Am richtigen Platz“

Die evangelische Kirche in Deutschland hat knapp 100 Pastoren für die Militärseelsorge abgestellt, die katholische Kirche hat aktuell 53 Pfarrer und 14 Pastoralreferenten in den Reihen der Bundeswehr. Kai Kleina ist bewusst, dass der Einsatz von Militärgeistlichen durchaus kritisch gesehen wird – auch innerhalb der Kirche. Er persönlich sieht sich jedoch gerade „genau am richtigen Platz“. Für ihn ist das Eintreten für den Frieden Kern des Christentums. Und er sieht keinen Widerspruch darin, wenn Soldaten der Bundeswehr im Auslandseinsatz Frieden stiftende Kräfte unterstützen oder vor Angriffen schützen.

Den Männern und Frauen bei dieser Aufgabe beizustehen, wird in den nächsten Jahren Teil der Arbeit des Militärseelsorgers sein. „Aber ebenso bin ich am Standort für die Soldaten und auch deren Angehörige da, wenn sie mich rufen“, betont Kleina. Der Wunsch der Eltern, ihren Sohn Jesse auf der „Brandenburg“ am Reformationstag, am 31. Oktober, taufen zu lassen, war so ein Ruf. Oster- und Taufkerze auf der Kommandobrücke platziert, die Schiffsglocke als Taufbecken umfunktioniert und ein kleines Kreuz genügten, um auf der Brücke der „Fregatte“ den Rahmen für den Taufgottesdienst zu schaffen.

Ob im Auslandseinsatz fern der Familie oder Zuhause mit der Familie: Für Kleina zählt die enge Begleitung: „Kirche hat schließlich den Anspruch, da zu sein, wo die Menschen sind. Überall.“