„Corona-Vorsichtige“ gründen erste Selbsthilfegruppe

Mit dem Wegfall der Corona-Beschränkungen ist wieder der Alltag eingekehrt. Doch einige Menschen isolieren sich weiterhin und leiden unter der Stigmatisierung.

Karen Braun sitzt im Aussenbereich eines Cafes in Würzburg
Karen Braun sitzt im Aussenbereich eines Cafes in Würzburgepd-Bild / Stefanie Unbehauen

Karen Braun trifft sich mit anderen Menschen nur unter einer Bedingung: Das Treffen muss draußen stattfinden. Innenbereiche meidet sie seit März 2020, dem Beginn der Corona-Pandemie. Die 58-Jährige bezeichnet sich selbst als „Corona-Vorsichtige“. Um sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen, hat Braun in Würzburg die Selbsthilfegruppe „Team Vorsicht“ gegründet. Die Stadt hat sie dabei unterstützt.

Auf ihre Maske wird sie häufig angesprochen

Braun trägt ein grünes T-Shirt, eine graue Strickjacke und eine weite, legere Leinenhose. Ihre roten Haare trägt sie zu einem lockeren Zopf zusammengebunden. Um ihren Hals hängt eine weiße FFP-2-Maske. „Wieso müssen sich Menschen, die freiwillig Maske tragen, ständig rechtfertigen?“, fragt sie. Schiefe Blicke und übergriffige Kommentare erhalte sie oft. In sozialen Medien sei der Ton noch rauer. „Da gibt es Kommentare wie ‚Verbring doch den Rest deines Lebens im Keller’“, erzählt sie. Ob sie es manchmal vermisse, gemeinsam mit Freunden in ein Restaurant zu gehen? „Ja, schmerzlich“, sagt die Würzburgerin. „Ich fühle mich isoliert.“

Welche Folgen soziale Isolation auf die Psyche der Betroffenen haben kann, weiß Psychiater und Psychotherapeut Peter Zwanzger, Chefarzt am kbo-Inn-Salzach-Klinikum im bayrischen Wasserburg am Inn und Präsident der Gesellschaft für Angstforschung. „Mangelnde soziale Interaktion kann zu psychischen Problemen bis hin zu depressiven Verstimmungen führen“, sagt er. Der Psychiater betont aber auch, dass sich hier keine Verallgemeinerung treffen lasse.

Soziale Kontakte sind für Menschen elementar

„Die Folgen fehlender Kontakte zu anderen Menschen sind von Person zu Person unterschiedlich“, sagt Zwanzger, der Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde ist. „Es ist elementar wichtig, soziale Kontakte zu Familie, Freunden und Bekannten zu pflegen.“ Das sei für die psychische Stabilität genauso wichtig wie gesunde Ernährung und Bewegung.

Bei Karen Braun kamen in der Pandemie zur Angst vor einer Ansteckung finanzielle Probleme hinzu. Sie ist selbstständige Musikerin und Stimmlehrerin. Seit dem Ausbruch der Pandemie arbeitet sie nicht mehr in Innenräumen, was zur Folge hat, dass sie den Großteil an Aufträgen ablehnen muss. „Das macht sich im Geldbeutel bemerkbar“, sagt sie.

Untätig sei sie dennoch nicht. Sie arbeitet ehrenamtlich in der Klinikseelsorge der Theresienklinik in Würzburg und bildet sich fort. Auf diese Idee kam sie durch ihre 20-jährige Arbeit als Musiktherapeutin auf der Palliativstation in einem Schweinfurter Krankenhaus.

Gefahr einer Sars-Cov-2-Ansteckung derzeit sehr gering

Braun gehört nach eigenen Angaben aufgrund einer Vorerkrankung zur Hochrisikogruppe. Sie ist fünfmal geimpft. Bisher konnte sie eine Ansteckung mit dem Coronavirus vermeiden. Sie ist davon überzeugt, dass die Maske sie schützt.

Laut Infektiologin Janina Zirkel am Universitätsklinikum Würzburg wird bei nur zwei Prozent der Patienten mit Atemwegsinfektion aktuell Sars-Cov-2 nachgewiesen. „Die Gefahr einer Ansteckung ist aktuell niedrig, aber nicht gleich null“, betont sie. Zirkel empfiehlt Risikopatienten deshalb, in Gebäuden und bei Veranstaltungen mit vielen Menschen weiterhin eine Maske zu tragen.

An dem Café gehen an diesem Nachmittag viele Menschengruppen vorbei, lachen, unterhalten sich und starten ausgelassen ins Wochenende. Keiner von ihnen trägt eine Maske. Für Karen Braun und viele weitere Risikopatienten liegt der Weg zurück in diese Normalität noch in weiter Ferne.