Christus, das klare Ja Gottes

Ist alles historisch, was über Jesu Geburt in der Bibel steht? Ein Interview mit dem Theologen Eberhard Jüngel

Er ist einer der bekanntesten Theologen im deutschsprachigen Raum – und einer der einflussreichsten in der evangelischen Kirche: der Tübinger Professor Eberhard Jüngel. Was aus seiner Sicht das Besondere an der Weihnachtsgeschichte ist, erläutert er im Interview mit Marcus Mockler.

Herr Jüngel, zu Heiligabend wird in den evangelischen Kirchen die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium vorgelesen – von der Geburt Jesu im Stall und den Hirten auf dem Felde, denen der Engel begegnet. Darf der Leser die Weihnachtsgeschichte als historischen Bericht von Fakten verstehen?Nicht alles. Dass Josef und Maria sich zur Zeit des Kaisers Augustus unter der syrischen Statthalterschaft des Kyrenius registrieren ließen und dass Maria „in jenen Tagen“ ihren ersten Sohn gebar – diese Behauptungen und einiges mehr lassen sich wissenschaftlich als „Fakt“ verifizieren oder auch falsifizieren. Doch dass ein Engel des Herrn – umstrahlt von der herrlichen Klarheit Gottes – den ihre Herden bewachenden Hirten die allen Völkern geltende große Freude verkündigte, und dass ein neugeborenes Kind der Heiland, der Retter der Welt sein soll – das lässt sich weder verifizieren noch falsifizieren. Dieser Wahrheitsanspruch bleibt genauso verschlossen wie der Wahrheitsanspruch der Schöpfungsgeschichte, deren Verfasser ja nicht dabei war, als Gott sein schöpferisches „Es werde“ sprach.Welche Bedeutung kommt dann der Jungfrauengeburt zu?Im Neuen Testament ist nur zweimal davon die Rede, dass Jesus – wie es dann später im Apostolischen Glaubensbekenntnis heißt – „empfangen vom Heiligen Geist, von der Jungfrau Maria geboren“ wurde. Die gesamte sonstige neutestamentliche Überlieferung weiß von der Jungfrauengeburt nichts. Sie hat zum Teil sogar Traditionen, die ihr zu widersprechen scheinen – das Johannesevangelium spricht zum Beispiel mehrfach betont von Jesus als dem Sohn des Josef (Johannes 1,45; 6,42). Die Schilderung des Lukas erschließt sich, wenn man seine Erzählung mit den vielen in der vorchristlichen Antike erzählten Geschichten von Göttersöhnen vergleicht. Diese Erzählungen haben die Funktion, Menschen in die Sphäre des Göttlichen so emporzuheben, dass ihr Menschsein irrelevant wird. In der biblischen Überlieferung ist die Pointe jedoch genau umgekehrt: Der Allerhöchste, der „ganz oben“ lebende Gott ist jetzt „ganz unten“, im Uterus einer Frau. Er kommt dem Menschen näher, als dieser sich selber nahe zu sein vermag. Wer daraus einen gynäkologischen Protokollsatz machen will, der hat wirklich gar nichts verstanden.Weiterlesen