Großer Festabend in der jüdischen Gemeinde in München. Am Dienstag werden zwei Jubiläen gefeiert. Die Rednerliste ist lang. Es gilt Charlotte Knobloch zu würdigen – und die Pionierleistung ihres Vaters.
Charlotte Knobloch (92), seit 40 Jahren Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, ist für ihr Lebenswerk gewürdigt worden. Zu ihrem Dienstjubiläum gab es am Dienstagabend in der Münchner Hauptsynagoge einen Festakt mit prominenten Gästen aus Politik und Gesellschaft. Zugleich wurde die Wiedergründung der Münchner Kultusgemeinde vor 80 Jahren gefeiert.
Knoblochs Vater Fritz Neuland (1889-1969) hatte mit rund 100 Überlebenden der Shoa nur gut zwei Monate nach dem Ende der Nazi-Herrschaft einen Neuanfang in der bayerischen Landeshauptstadt gesetzt. Heute ist die Kultusgemeinde mit knapp 10.000 Mitgliedern die größte in Deutschland.
“Wir feiern heute das unglaublichste Geschenk an unser Land”, sagte die bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Menschen wie Fritz Neuland hätten es sich nicht nehmen lassen wollen, “dass dies dereinst ihre Heimat war – und wieder werden könnte”. Sie kenne “keinen stärkeren Patriotismus”, so Aigner.
Die Parlamentspräsidentin bezeichnete Knobloch als “unsere jüdische Bavaria”, als Leitfigur, Mahnerin und Mutmacherin. “Wenn Sie einen Raum betreten, entsteht eine Atmosphäre, in der Unmögliches möglich wird. In der Amt, Rang und Namen keine Rolle spielen, sondern sich Menschen begegnen, auf Augenhöhe, und sich konzentrieren – auf den Kern menschlichen Miteinanders.”
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte: “Diese Gemeinde ist ohne Charlotte Knobloch und ihre Familie nicht zu denken.” Von 2006 bis 2010 stand sie auch an der Spitze des Zentralrats. “Ich verneige mich vor diesem Dienst an unserer jüdischen Gemeinschaft hier in Bayern, aber auch in Deutschland.”
Der Fraktionschef der Freien Wähler im Bayerischen Landtag, Florian Streibl, hob Knoblochs jahrzehntelanges Engagement für Erinnerungskultur, gesellschaftlichen Zusammenhalt und den interreligiösen Dialog hervor. “Charlotte Knoblochs Einsatz für die Aussöhnung Deutschlands mit dem jüdischen Volk nach den Verbrechen der Schoah ist ein moralischer Kompass unserer Gesellschaft und verdient allerhöchste Wertschätzung.”
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner sagte, es reiche nicht zu bewundern, was aus dem Mut vor 80 Jahren entstanden sei. Angesichts des wieder zunehmenden Antisemitismus räumte sie Versäumnisse aufseiten von Staat und Gesellschaft in Deutschland ein. Deren Antwort auf die Entscheidung jüdischer Mitbürger zu bleiben, sei nicht stark genug gewesen. “Weil wir Sie nicht dauerhaft in der Sicherheit gewogen haben, die ein demokratisches Gemeinwesen schuldet.” Klöckner: “Wer heute in Deutschland jüdisch lebt, braucht nicht Mut. Sondern Schutz. Respekt. Und eine klare Mehrheit, die sich nicht wegduckt, wenn sich Judenhass zeigt.”