Casablanca ohne Hollywood

Großformatige, abstrakte Gemälde in kräftigen Farben, kleinere Werke in erdiger Farbgebung, Collagen, Architekturmodelle, Teppiche, Tongefäße und Zeitungen: Besucher der Ausstellung „Casablanca Art School. Eine postkoloniale Avantgarde 1962 – 1987“ erwartet eine bunte Vielfalt, mit der die Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main die Entwicklung der postkolonialen modernen Kunst in Marokko zeigt. Zu sehen sind vom 12. Juli bis 13. Oktober rund 100 Werke von 22 Künstlerinnen und Künstlern.

Mit dem Hollywood-Kultfilm „Casablanca“ um ein Liebesdrama während des Zweiten Weltkriegs habe die Ausstellung nichts zu tun, scherzt der Direktor der Schirn-Kunsthalle, Sebastian Baden. Es gehe gerade nicht um die westliche Perspektive, sondern um eine spezifisch marokkanische.

Nach der Unabhängigkeit Marokkos 1956 wollten Kunstschaffende die Kunst dekolonialisieren und eine neue Identität entwickeln, erklärt Baden. Die Lehrenden und Studierenden der Kunsthochschule von Casablanca um die fünf Hauptvertreter Farid Belkahia (1934-2014), Mohammed Chabaa (1935-2013), Bert Flint (1931-2022), Tonivers Maraini (geboren 1941) und Mohamed Melehi (1936-2020) lassen sich inspirieren von dem lokalen kulturellen Erbe und schaffen etwas Neues. Sie verbinden Amazigh-Traditionen (Berber-Traditionen) mit abstrakter Kunst. Es entstehen Werke, die afrikanisch, islamisch, mediterran und auch westlich beeinflusst sind.

Abstrakte Gemälde mit Wellen in unterschiedlichen Anordnungen etwa geben Hinweise auf die Elemente Feuer und Wasser, auf Luft und Erde, erinnern dabei auch an traditionelle Teppichmuster. Filigrane Schmuckarbeiten greifen alte Symbolik auf, historische kalligrafische Muster finden sich in modernen Bildern.

In Anlehnung an die Bauhaus-Idee verbanden die Kunstschaffenden ihre Arbeiten mit dem Alltag, sagt Kuratorin Esther Schlicht. Sie drückten ihre Kunst auf Wandgemälden, Zeitungen und in der Architektur aus.

Das passierte auch mit der Präsentation auf öffentlichen Plätzen, sagt Kurator Morad Montazami. Die Plätze ersetzten zudem fehlende Ausstellungsmöglichkeiten in Museen oder Galerien. Der Begriff „Casablanca Art School“ stehe nicht für eine feste Gruppe, betonte Montazami. Aus dem Kollektiv der Hauptvertreter habe sich ein internationales Netzwerk entwickelt, das über Generationen reichte. Entstanden sei eine „neue Welle“, die eine neue Kunst für Marokko und die Region entwickelt habe.