Cartoonist über Luke Mockridge: “Unter aller Sau!”
Mit seinen hämischen Sätzen zu den Paralympics sorgt Luke Mockridge für Schlagzeilen. Der Zeichner Phil Hubbe ist bekannt für seine “Behinderten Cartoons” und hat einen Vorschlag für den Comedian.
Der Cartoonist Phil Hubbe ist bekannt für seine “Behinderten Cartoons”, in denen Menschen mit Behinderungen die Hauptrolle spielen. Der Magdeburger zeigt sie in vertrackten Situationen. Seine Bildbände mit den Zeichnungen sind große Erfolge. Wie wichtig Humor in schwierigen Lebenslagen sein kann, weiß Hubbe aus eigener Erfahrung. Er hat Multiple Sklerose. Zu Luke Mockridge und seinen hämischen Sätzen über die Paralympics hat Phil Hubbe eine klare Meinung.
In einem Podcast hat sich der Comedian Luke Mockridge herablassend über die Paralympics geäußert. Finden Sie seine Worte in Ordnung?
Phil Hubbe: Nein, das finde ich absolut nicht in Ordnung. Um es etwas deftig zu sagen: Es ist unter aller Sau, solche Witze zu machen auf Kosten von Menschen mit Behinderungen. Was man fairerweise auch sagen muss: In den Ausschnitten aus dem Podcast wirken die Äußerungen noch schlimmer. Ich habe auf Youtube die fragliche Passage aus Luke Mockridges Programm gesehen, da sind diese Aussagen eingebettet in einen Kontext. Er sagt zum Beispiel, dass er vorher darüber mit einem Kleinwüchsigen gesprochen hat. Aber unterm Strich muss ich auch sagen, dass das echt nicht mein Humor ist. Die Witze sind leider ziemlich flach.
In sozialen Medien finden sich Videos eines US-Komikers, der fast das Gleiche sagt wie Luke Mockridge. Möglicherweise hat er sich dort, sagen wir mal inspirieren, lassen. Allerdings ist der Ton beim Amerikaner viel verbindlicher.
Ja, der Ton macht viel aus. So völlig losgelöst wirken die Aussagen auch unmotiviert. Er macht sich nur lustig auf Kosten von Menschen mit Behinderungen.
Sie sind bekannt für Ihre “Behinderten Cartoons”, in denen Menschen mit Behinderungen die Hauptrolle spielen. Gibt es eine Grenze bei Witzen über Menschen mit Behinderungen?
Nein, für mich gibt es keine feste Grenze. Satire darf alles, hat schon Kurt Tucholsky gesagt. Entscheidend ist, dass ich eine Ahnung davon habe, was ich sage oder zeichne. Man hatte bei Luke Mockridge nicht den Eindruck, dass das der Fall ist. Ich habe früher zum Beispiel keine Cartoons gemacht über Depressionen oder Krebs. Inzwischen mache ich das und hatte auch schon erfolgreiche Veranstaltungen mit Krebs-Patienten. Zusammen mit depressiven Menschen habe ich lange Workshops gemacht. Das hilft mir natürlich, ihre Situation besser zu verstehen und zu entscheiden: Was darf ich machen und was lasse ich lieber bleiben?
Ist es denn eigentlich in Ordnung, wenn Menschen ohne Behinderung Witze machen über Menschen mit Behinderung?
Ja, das finde ich absolut in Ordnung. Ich weiß, dass es in der Community auch andere Meinungen gibt, aber ich halte alles andere auch für eine Form der Diskriminierung. Genauso finde ich, dass ein nicht-behinderter Schauspieler auch einen Behinderten spielen darf. Warum denn nicht? Die Rolle eines Alkoholikers kann man ja auch nicht nur mit einem Alkoholiker besetzen.
Sat.1 wird die bereits aufgezeichneten Shows mit Luke Mockridge nach den Podcast-Aussagen vorerst nicht ausstrahlen. Ist das die richtige Entscheidung?
Ja, das ist nachvollziehbar, auch wenn ich sagen muss, dass mir in die Sache zuviel reingehyped wird. Vorher hat sich schließlich auch niemand um das Thema gekümmert. Und wenn sich die Aufregung gelegt hat, läuft das Thema Menschen mit Behinderung wieder sonntagmorgens, wenn kein Mensch Fernsehen guckt. Es wäre doch eine tolle Sache, wenn Sat.1 auf dem freien Sendeplatz jetzt eine Show machen würde, in der Behinderte die Hauptrolle spielen.
So ähnlich ist die Sache auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern mit den Paralympics und den Experten, die nur alle vier Jahre auftreten dürfen. Matthias Berg zum Beispiel kenne ich persönlich. Er hat für das ZDF analysiert und würde mit Sicherheit auch beim Sport von Menschen ohne Behinderung eine gute Figur abgeben. Schließlich hat er bei Paralympischen Spielen elf Goldmedaillen gewonnen.
Was sollte Luke Mockridge jetzt machen?
Am besten erst einmal die Klappe halten! Und dann würde ich ihm vorschlagen, mal ein Programm gemeinsam mit Behinderten zu machen. Da gibt es nämlich viele tolle Comedians, die bloß niemand kennt. Luke Mockridge könnte ihnen eine Bühne bieten.
Was ist Ableismus?
Der Begriff Ableismus bezeichnet Diskriminierungsformen gegenüber Menschen mit Behinderungen, sowohl bei körperlichen als auch bei psychischen Beeinträchtigungen. Menschen werden dabei auf ihre Behinderung reduziert. Er leitet sich vom englischen Wort “ability” für “Fähigkeit” ab und wurde in den 1980er-Jahren von der us-amerikanischen Behindertenbewegung (“Disability Rights Movement”) geprägt.