Der Caritasverband in der Diözese Rottenburg-Stuttgart setzt sich selbstkritisch mit der Praxis der Kinderverschickungen auseinander. Wie er am Dienstag in Stuttgart mitteilte, beschreibt eine nun veröffentlichte kulturhistorische Dokumentation, wie die Praxis der Verschickung und der Alltag in den Erholungsheimen aussah.
„Dieser zeitgeschichtliche Bericht hat wichtige neue Erkenntnisse für die Aufarbeitung und damit zum Gesamtbild der Kinderverschickung befördert“, sagte Caritasdirektor Oliver Merkelbach laut Mitteilung. Der von der Kulturwissenschaftlerin Gudrun Silberzahn-Jandt erstellte Bericht zeichne ein Bild der Umstände der Kinderverschickung in Württemberg. Klar sei: Der damalige pädagogische Umgang mit den Kindern und Jugendlichen sei „aus heutiger Sicht fragwürdig und unzumutbar“.
Laut dem Bericht waren an der Verschickung in den Nachkriegsjahrzehnten auch Personen beteiligt, die noch wenige Jahre zuvor die NS-Politik unterstützt hatten. Zudem wird deutlich, dass die Kinder teilweise zu religiösen Praktiken gezwungen wurden oder auf Strohsäcken schlafen mussten. Es wird aber auch festgehalten, dass in Einzelfällen durchaus auf Beschwerden der Eltern eingegangen wurde.
Die Diözese Rottenburg-Stuttgart war in Württemberg Trägerin von sieben Einrichtungen, in die Kinder bis in die 1970er Jahre verschickt wurden. Außerdem war die Caritas in die Organisation und Begleitung von Verschickungen eingebunden. Betroffene können sich bei der Anlaufstelle Gewaltschutz der Caritas melden. Dort erhalten sie Hilfe bei der Recherche nach möglichen Unterlagen oder beim Zugang zu Unterstützungsangeboten. (2718/03.12.2024)