Bundespräsident über Kant: Demokratie braucht aufgeklärte Bürger

Das Erbe des großen Philosophen Immanuel Kant, die Aufklärung, sieht Steinmeier angegriffen und bedroht. Seine Prinzipien, etwa in “Zum ewigen Frieden”, seien bis heute gültig.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in Erinnerung an den großen deutschen Philosophen Immanuel Kant (1724-1804) an die Verantwortung der Bürger appelliert. “Demokratie braucht tätige, aufgeklärte, denkende Bürgerinnen und Bürger, denen die Unterscheidung von Wahrheit und Lüge wichtig bleibt, für die nicht jeder Kompromiss ein Verrat und nicht jeder Andersdenkende ein Feind ist”, betonte Steinmeier am Freitag laut Redemanuskript. Der Bundespräsident sprach anlässlich der Ausstellung eines handschriftlichen Auszugs aus der Kant-Schrift “Zum ewigen Frieden” im Schloss Bellevue.

“Wir erleben ja gerade, wie das Erbe der Aufklärung – die universellen Menschenrechte und das Völkerrecht – von verschiedenen Seiten zugleich angegriffen und bedroht wird”, sagte Steinmeier. Russlands Angriff auf die Ukraine habe den Krieg zurück nach Europa gebracht; der Terroranschlag der Hamas auf Israel, der Krieg in Gaza und der Angriff des Iran auf Israel vertieften die Gräben in der Weltgemeinschaft.

Kant habe sich in seiner wegweisenden Schrift keine Illusionen über die Friedfertigkeit der Menschen gemacht, so Steinmeier. Er habe eine Antwort auf die Frage gesucht, wie eine kriegerische Welt befriedet und Frieden rechtlich abgesichert werden könne. Essenziell war für den Philosophen ein weltweiter Völkerbund samt gemeinsamer Rechtsordnung, aber auch das Selbstbestimmungsrecht der Völker und das Recht zur Verteidigung gegen Angriffe. Ebenso wies Kant einen Friedensschluss zurück, der “mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden” sei.

Kant formuliere hier Prinzipien, die auch mit Blick auf aktuelle Kriege nichts an Gültigkeit verloren hätten, so Steinmeier. Es dürfe keinen ungerechten Frieden geben, der den Keim eines neuen Krieges in sich trage. Zugleich dürfe die Perspektive auf den Frieden nie verloren werden.

Die historische Abschrift ist noch bis zum Sommer im Schloss Bellevue zu sehen. Anlass ist das Jubiläumsjahr zum 300. Geburtstag von Kant. Dieser wird am Dienstag mit einem Festakt im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin gefeiert.