Der Präsident des Bundesarchivs schlägt Alarm und warnt vor dem Zerfall einzigartiger Zeitzeugnisse. Ohne einen Erweiterungsbau droht Deutschlands historischem Gedächtnis ein irreparabler Schaden.
Das Bundesarchiv benötigt dringend mehr Platz – ansonsten droht historischen Dokumenten der Verfall. Sollte in der kommenden Legislatur keine Entscheidung für einen Erweiterungsbau fallen, sei “tatsächlich Gefahr im Verzug”, sagte der Präsident des Bundesarchivs, Michael Hollmann, der “Neuen Osnabrücker Zeitung” (Freitag). “Wir können uns keinen Zeitverlust mehr leisten, da es sich um inhärente Prozesse handelt, die im Material liegen und die wir nicht stoppen können.”
Die Kapazitäten des Archivs seien “bereits an die Grenzen gestoßen”, sagte Hollmann. Das Parlament müsse eine Entscheidung treffen: “Sind wir eine Gesellschaft, die stolz darauf ist, mit Geschichte verantwortungsvoll umzugehen und dieses Gedächtnis auch zu bewahren? Dann müssen wir auch was dafür tun”, so der 63-Jährige. “Ansonsten besteht selbst im Bundesarchiv die Gefahr, dass Archivgut zerfällt.” Dies betreffe nicht nur den Zentralbau in Koblenz, sondern auch Außenstellen, in denen unter anderem Stasi-Unterlagen aufbewahrt werden.
80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa sieht der Historiker ein nach wie vor großes Interesse an der Geschichte der NS-Zeit. “Das Bundesarchiv wird stark genutzt, gerade auch zu NS-Themen. Zuletzt gingen dazu pro Jahr knapp 75.000 personenbezogene Anträge bei uns ein”, sagte Hollmann. Dem Bundesarchiv komme dabei eine wichtige Rolle zu, indem es “jedermann authentische, verlässliche Quellen zur Verfügung stelle, damit möglichst wenig im luftleeren Raum und ohne Bezugnahme auf Belegbares diskutiert wird”. Es gehe darum, zu verhindern, dass Geschichte “frei erfunden” werde.
Im Bestand des Bundesarchivs befinden sich 540 Kilometer Akten, dazu kommt umfangreiches Bild- und Tonmaterial. Der in den 80er-Jahren errichtete Zentralbau in Koblenz verfügt über drei Magazintürme, der nötige Platz für drei weitere war beim Bau bereits mit eingeplant. Die nötigen Mittel wurden bislang nicht bereitgestellt.