“Bruno”-Autor Martin Walker über Küche, Kirche und große Politik

Der britische Schriftsteller Martin Walker ist mit seinem französischen Kommissar Bruno vor allem in Deutschland populär. Auch die Politiker in Europa beschäftigen den Journalisten – Angela Merkel kritisiert er hart.

Martin Walker war unlängst mit dem neuen Band seiner Reihe um Bruno, Chef de Police, in Deutschland auf Lesereise. In Leipzig las er aus dem neuen Roman “Im Chateau”. Hier verbindet er die Geschichte des Perigord im Mittelalter, das sich gerade von der englischen Besatzung befreit, mit einem Plot um neue, digitale Besatzer aus dem Silicon Valley. Als einer von ihnen stirbt, muss Bruno ran – zum Ermitteln und Kochen. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach am Montag mit dem Autor über Küche, Kirche und Politik.

KNA: Herr Walker, in Ihren Bruno-Romanen treffen wunderschöne Landschaften, die imposante Kulturgeschichte des Perigord und natürlich kulinarische Köstlichkeiten auf die oft harte gesellschaftliche Realität Frankreichs. Welcher Aspekt ist für Sie wichtiger – das Schöne oder die “Bad Guys”?

Martin Walker: Es gehört nun mal zur Realität, dass beides nebeneinander existiert und sowohl die “Good Guys” wie Bruno als auch die “Bad Guys” damit klarkommen müssen. Es hat noch nie eine perfekte Gesellschaft gegeben, und ich glaube, sie kann es auch gar nicht geben. Das schreckt übrigens niemanden ab, ins Perigord zu ziehen. Aktuell kommen nicht nur Menschen wie ich sondern vor allem auch ältere Leute aus dem Norden oder Osten Frankreichs. Denn hier kann man noch ein bisschen günstiger leben als dort. Und das bedeutet auch Arbeit für junge Leute, in der Pflege etwa. Die müssen nicht nach Paris fliehen, um einen Job zu finden. Das ist besser als in meiner Heimat.

KNA: Was meinen Sie?

Walker: Waren Sie in letzter Zeit mal in Schottland, wo ich geboren bin, oder in Nordengland? Dort sieht es finster aus, kalt und karg. Keine Industrie mehr, kaum noch Arbeit, junge Menschen wandern ab. Da geht die komplette soziale Struktur der Gesellschaft den Bach runter. Ich stamme ja selbst aus einer Arbeiterfamilie, das nimmt mich schon mit.

KNA: In Frankreich gibt es dafür größere Probleme mit Parteien wie der Rassemblement National (RN) von Marie LePen.

Walker: Das stimmt, viele Menschen in Frankreich haben RN gewählt. Das lässt uns gut gebildete “Middle Class”-Menschen verwirrt zurück. Aber diese Leute fühlen sich abgehängt, ignoriert, nicht wertgeschätzt. Ich glaube, dass sich so auch viele im Osten Deutschlands fühlen, und das dürfte zumindest zum Teil auch den Erfolg der AfD bei Ihnen erklären.

KNA: Sie haben sich vor ein paar Jahren in dem Buch “Germany 2064” ganz konkret mit Deutschland und seiner künftigen Entwicklung beschäftigt. Der Aufschwung des Populismus fehlte aber, hat der Sie überrascht?

Walker: Ich glaube, das hat mit der historischen Entwicklung im 20. Jahrhundert zu tun. In Deutschland, also der damaligen Bundesrepublik, gab es schon ab den 1960er-Jahren einen Bevölkerungsrückgang. Darauf folgte die Zuwanderung aus Griechenland, Italien, Spanien, später der Türkei. Die Zuwanderung wurde damals in Deutschland auch nicht als Bedrohung gesehen. Klar, es gab schon Spannungen. Aber richtig los ging es erst 2015, als Angela Merkel die Grenzen aufmachte.

KNA: Sie geben der ehemaligen Bundeskanzlerin die Schuld?

Walker: Angela Merkel hat nach meiner Meinung drei schwere Fehler gemacht. Erstens nach dem Reaktor-Unfall in Fukushima doch wieder aus der Atomkraft auszusteigen. Dann in der Migrationspolitik. Und drittens die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas – das war immer ein großes Risiko. Aber Politiker treffen manchmal dumme Entscheidungen. Und Frau Merkel ist ja nicht allein, Frankreich hatte keine brauchbare Regierung mehr seit Chirac! Sarkozy hatte Schwierigkeiten mit dem Gesetz. Francois Hollande tat gar nichts. Und Macron redet viel…

KNA: Sie klingen jetzt nicht so optimistisch wie der Martin Walker, der bei Lesungen seinen Bruno verkörpert und die Begeisterung für Estragon-Hühnchen derart rüberbringt, dass alle im Publikum Hunger bekommen!

Walker: Ich wüsste auch nicht, wo der Optimismus herkommen sollte. Als Kind war ich ein glühender Anhänger der Labour Party, alles sollte besser werden. Und jetzt?

KNA: Welche Rolle spielen die Medien, was können sie leisten – etwa bei der Wahl eines Donald Trump? Selbst Ihr Bruno atmet ja in jeder Zeile den Geist der Aufklärung.

Walker: Fast alle in den Medien sind viel zu arrogant geworden. Wir haben auf einfache Menschen herabgeblickt und jede Verbindung zu ihnen verloren. Jetzt fühlen sie sich zu Recht im Stich gelassen, ignoriert, lächerlich gemacht. Und sagen: **** you, wir werden uns rächen.

KNA: Versuchen Sie mit der gut konsumierbaren Humanität, die Ihre Bruno-Romane ausmacht, hier ein Gegengewicht zu schaffen, einen Ausgleich?

Walker: Ich glaube, das Leben auf dem Land ist in vielen Aspekten einfacher und vor allem noch näher an Traditionen und traditionellen Werten. Wobei mir schon Sorgen macht, wie wir unsere Landwirtschaft und unsere Ernährung organisieren. In ganz Europa ist es heute fast unmöglich, ein Ei zu kaufen, dass noch von einem lebendigen Hahn befruchtet wurde. Ich gehöre dagegen zu den Menschen, die wie Bruno nicht aufgeben und ihre eigenen Eier haben, mit Hahn!

KNA: Auch als Schriftsteller bleiben Sie am Ball. Im nächsten Bruno-Roman wird es ganz direkt im die Aufklärung gehen. Können Sie hier schon mehr verraten?

Walker: Es geht um den französischen Bischof Francois Fenelon aus dem 17. Jahrhundert, der aus der gleichnamigen Adelsfamilie im Perigord stammt. Fenelon war Erzbischof und ein Vorläufer der Aufklärung. Er hat auch große Predigten geschrieben. Für Schiller und Goethe gehörte er zu den Vätern dessen, was wir Aufklärung nennen, aber heute ist er fast völlig vergessen.

KNA: Haben Sie die Hoffnung, dass Ihre Leserinnen und Leser hier etwas lernen, wenn Sie solche Geschichten in die Bruno-Krimis hineinschmuggeln? Oder ist das nur Ihr ganz persönliches Vergnügen?

Walker: Zunächstmal müssen die Geschichten stimmig sein, und dazu müssen die Fakten stimmen. Ich beschreibe ja auch deswegen so gerne das Leben auf dem Land – weil es sich richtig und stimmig anfühlt. Was ich an Frankreich und dem Perigord so schätze, ist der regionale Stolz, das lokale Bewusstsein. Das macht diese Region lebendig.

KNA: Dass in England spielende Krimis und Geschichten in Deutschland viele Fans haben, ist kein Geheimnis. Hat Sie der Erfolg von Bruno überrascht?

Walker: Ja, am Anfang schon. Deutschland ist mit Abstand mein größter Markt, gefolgt von den USA und Großbritannien. Ich bin bestimmt drei Wochen jedes Jahr auf Lesereise. Und auch wenn mein Deutsch anfangs ziemlich lausig war, hat es mir sofort eine Verbindung zu den Menschen beschert. Ich bekomme so mit, was sie mögen und was dann auch im Buch funktioniert.

KNA: Und was hält Frankreich von Bruno?

Walker: Es gibt die Bücher auf Französisch, aber ich verkaufe sogar in Japan mehr. Wir hatten ein richtiges Problem, als das Bruno-Kochbuch, dass ich zusammen mit meiner Frau Julia gemacht habe, zum ersten Mal herauskam. Das war für viele Menschen in Frankreich ein Schock: Ein Engländer kann ja vielleicht über Fußball schreiben – aber französische Küche? Da gab es schon ein paar nicht so nette Beiträge in den französischen Medien.