Brunhilde Raiser zum Weltgebetstag: „Es war ein Balanceakt“

Es gab Kritik ohne Ende – mit welchen Schwierigkeiten das deutsche Weltgebets­tagskomitee dieses Jahr konfrontiert war, berichtet die stellvertretende Vorsitzende, Brunhilde Raiser.

Das deutsche Weltgebetstags-Komitee: Ulrike Göken-Huismann, Cornelia Trommer-Klimpke, Brunhilde Raiser, Mona Kuntze (v. l.). Brunhilde Raiser ist die stellvertretende Vorsitzende und Delegierte für die Evangelischen Frauen in Deutschland
Das deutsche Weltgebetstags-Komitee: Ulrike Göken-Huismann, Cornelia Trommer-Klimpke, Brunhilde Raiser, Mona Kuntze (v. l.). Brunhilde Raiser ist die stellvertretende Vorsitzende und Delegierte für die Evangelischen Frauen in DeutschlandWeltgebetstag der Frauen - Deutsches Komitee

Hinter Brunhilde Raiser liegen anstrengende Wochen und Monate. „Es war eine sehr schwierige Zeit, und sie ist noch nicht vorbei“, sagt die 70-Jährige. Auch wenn in der jüngsten Zeit eine Art Trendwende begonnen zu haben scheint. Die Rede ist vom Weltgebetstag, von der Ordnung zum Weltgebetstag der Frauen, die in diesem Jahr aus Palästina kommt. „Nachdem wir über Monate immer wieder gehört haben, dass die Ordnung antisemitisch sei, lässt die Kritik nun etwas nach, der Druck ist etwas raus“, so Brunhilde Raiser.

Sie hat die Hoffnung, dass der Weltgebetstag trotz aller Kritik von sehr vielen gefeiert wird. Insbesondere in diesem Jahr sei das so wichtig. Gerade aufgrund der schwierigen Situation.

Von Anfang an habe es mit dem Palästina-Thema Schwierigkeiten gegeben, erklärt Raiser. „Das zu erwartende Störfeuer“, nennt sie es. Schon im Sommer wurde das ursprüngliche Titelbild kritisiert und die Wahl des Landes Palästina an sich. „Es wurden Stimmen laut, die sagten, man kann ja nur gegen Israel sein, wenn man Palästina als Weltgebetstagsland wählt“, so Raiser. Richtig massiv wurde die Kritik dann nach dem 7. Oktober. „Nach dem Angriff der Hamas auf Israel wurde Palästina für sehr viele regelrecht zum Unwort“, betont sie.

Kritik wegen antisemitischer Äußerungen

Die Kritik an der Gottesdienstordnung für den Weltgebetstag wuchs, sie enthalte antisemitische Äußerungen, lautete der Vorwurf. „Wir haben uns schließlich dazu entschieden, nachzufassen und Stellen, die oft missverstanden wurden, neu zu übersetzen und zum Teil auch zu kommentieren“, sagt Raiser. Doch auch das habe wieder zu Kritik geführt, weil sie den Palästinenserinnen zwar gesagt haben, dass sie etwas ändern, aber es nicht mit ihnen abgestimmt hätten.

Allerdings sei das immer so, betont Brunhilde Raiser. Keine Übersetzung werde je mit dem Schreiberinnenteam abgestimmt. Zudem sind die Kolleginnen in Palästina aber auch so belastet durch die Situation, dass sie sich auf unsere Schwierigkeiten gar nicht einlassen können. Sie die neue Printfassung der Gottesdienstordnung autorisieren zu lassen, war nicht realisierbar – und eben auch nicht üblich“, so Raiser.

Bild zum Weltgebetstag und seine Künstlerin waren umstritten

Auch um das Bild zum Weltgebetstag wurde lange gerungen: Zu sehen war ein Olivenbaum, an dessen Stamm kniend oder hockend drei Frauen in grünen Kleidern dargestellt waren. Sie trugen Schlüssel als Schmuck und Schleier nach hinten. Rote Mohnblüten waren zu sehen. „Die Schlüssel wurden als antiisraelisch kritisiert, da sie für die Palästinenser ein Symbol für die Hoffnung auf die Rückkehr in ihre Häuser sind“, so Raiser.

Olivenbäume statt des Bildes zum Weltgebetstag. Es gab eine Empfehlung, das ursprüngliche Plakat nicht zu benutzen
Olivenbäume statt des Bildes zum Weltgebetstag. Es gab eine Empfehlung, das ursprüngliche Plakat nicht zu benutzenepd-bild / Thomas Lohnes

Und auch die Mohnblüten sorgten für Anstoß. Sie seien in vielen Kulturkreisen Erinnerungsblüten für die Toten und ein Zeichen der Erinnerung. Das sei aber nicht automatisch pro Hamas oder gegen Israel zu deuten, meint Raiser. „Doch die Kritik war nicht auszuräumen. Und da das Plakat nicht Kern des Weltgebetstags war, gab es die Empfehlung, das Bild für den internationalen Weltgebetstag zu vermeiden. Das war schon vor dem 7. Oktober“, so Raiser. Allerdings wurde dann auch noch Kritik an Aussagen der Künstlerin laut.

Raiser: „Der Weltgebetstag ist immer politisch“

Das Weltgebetstagskomitee wolle, dass die Stimmen aus Palästina gehört werden, so wie es dem Selbstverständnis des Weltgebetstags entspreche. Am wichtigsten sei, dass überhaupt gefeiert wird und die mehr als 100-jährige Tradition gepflegt werde. Daher habe man sich von dem Bild verabschiedet, um mit möglichst vielen zu feiern. Aber Brunhilde Raiser betont auch: „Wir wollen nicht jeder Kritik nachlaufen.“ Man habe sich gefragt, was es in dieser „verunsicherten und auch aufgeheizten Atmosphäre“ brauche, damit der Weltgebetstag gefeiert werden kann, und dem habe man versucht, gerecht zu werden.

Raiser gibt zu: „Es war ein Balance­akt.“ Die Frage war, wo bleibt man am Text, der ja nur eine Übersetzung des Textes aus Palästina sei, und wo erkläre und ergänze man. Die Gottesdienstordnung sei von den Palästinenserinnen geschrieben, es seien ihre Sicht – ihre Erfahrungen. Ob die Entscheidung für Palästina richtig oder falsch sei? Das will Brunhilde Raiser nicht sagen. „Das steht mir nicht zu. Die Entscheidung wurde ja auch schon vor sieben Jahren getroffen.“ Klar sei aber: Es war ein Land des Nahen Ostens dran. „Es gibt kein Weltgebetstagskomitee in Israel, Israel konnte es also nicht werden.“

Weltweiter Umgang mit Palästina als Weltgebetstagsland unterschiedlich

Nicht überall habe man Probleme mit dem Weltgebetstagsland Palästina. „Im Grunde nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wir bekommen keine Meldungen aus anderen Ländern, nicht mal aus den USA. Das heißt in anderen Ländern wurde die Ordnung auch nicht neu übersetzt und kontextualisiert, betont Raiser. Das zeigt für sie deutlich, dass die Bewertung immer etwas mit der Brille zu tun habe, die man aufhat. Aufgrund der deutschen Vergangenheit sei Palästina als Weltgebetstagsland eben gerade hier problematisch.

„Bei Taiwan im letzten Jahr hat es kräftig rumort in China, bei Indonesien gab es Kritik aus den Niederlanden. Im Grunde gibt es keinen unpolitischen Weltgebetstag. Es ist immer eine Frage des Kontextes“, sagt Raiser. Der Weltgebetstag sei nie eine „Kuscheleinheit“. Das würde dem Motto des Weltgebetstags „Informiert beten und betend handeln“ auch widersprechen.

 

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Sie kann die Befindlichkeiten und Einwände nachvollziehen. Allerdings wünsche sie sich, dass auch die, die Schwierigkeiten mit dem diesjährigen Weltgebetstag haben, trotzdem hinschauen und sich öffnen. „Ich wünsche mir, dass wir alle unseren Blick schärfen, dass wir auch Spannungen aushalten. Als Komitee haben wir ganz klar die Verpflichtung, den Auftrag, die Stimmen derer, die schreiben, zu Gehör zu bringen. Wenn es dazu nötig ist, eine Neufassung zu machen, dann machen wir das.“

Hoffnung, dass möglichst viele feiern

Vor 30 Jahren, als Palästina schon einmal Weltgebetstagsland war, habe es auch schon massive Diskurse gegeben – und viele Ordnungsvarianten. Allerdings habe es da keine neue Fassung durch das Komitee gegeben. „Wir hatten aber auch keinen 7. Oktober“, so Raiser, die seit 1978 mit dem Weltgebetstag befasst ist. Für sie war der diesjährige der schwierigste. Sie ist seit zweieinhalb Jahren in der Leitung des Komitees. Im November wurde noch einmal gewählt. „Ich habe mich bewusst dafür entschieden, mich diesem Weltgebetstag mit Palästina zu stellen“, betont sie.

So viel Unruhe wie in Deutschland sei beim Weltgebetstag nicht typisch. Aber nachvollziehbar. „Israel­ ist für uns hier einfach ein sehr empfindliches und schwieriges Thema, bei dem Sensibilität geboten ist“, so Raiser. Mut mache ihr, dass sie Berichte aus Gemeinden hört, dass es geht. Sie hofft, dass möglichst viele feiern. „Ich wünsche mir, dass Menschen miteinander an diesem Tag reden und auch danach, dass sie sich verständigen und öffnen. Wenn wir das schaffen, dann haben wir enorm viel gewonnen – und das ist wirklich Frieden stiften.“