Nach der gescheiterten Wahl zum Bundesverfassungsgericht sprachen zumeist andere über die von der SPD ins Rennen geschickte Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. Am Dienstag meldete sich die Juristin selbst zu Wort.
Die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht Frauke Brosius-Gersdorf hat ihre umstrittenen Positionen zur Abtreibung verteidigt. “Ich bin nie eingetreten für eine Legalisierung oder Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt”, betonte sie am späten Dienstagabend in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz. “Es ist auch falsch, dass ich gesagt haben soll oder geschrieben haben soll, dass der Embryo kein Lebensrecht hat.”
Richtig sei vielmehr, dass sie für eine Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in der Frühphase eingetreten sei, so die Potsdamer Verfassungsrechtlerin. “Straffrei ist er schon heute, aber er ist rechtswidrig, und ich bin der Meinung, dass er aus verfassungsrechtlichen Gründen rechtmäßig sein sollte.” Dahinter stehe “ein ganz schwieriger und hochsensibler Güterkonflikt zwischen den Grundrechten des Embryos auf der einen Seite, seinem Lebensrecht, und den Grundrechten der Frau auf der anderen Seite”.
Als entscheidend für die Auflösung dieses Güterkonflikts wertete Brosius-Gersdorf, “dass die Grundrechte des Embryos und die Grundrechte der Frau nicht in allen Phasen der Schwangerschaft gleich zu gewichten waren. Sondern dem Lebensrecht des Embryos habe ich in der Frühphase der Schwangerschaft ein geringeres Gewicht in der Gegenüberstellung mit den Grundrechten der Frau beigemessen und in den späteren Phasen ein höheres.”
Am Freitag war die Wahl dreier neuer Verfassungsrichter für Karlsruhe, darunter Brosius-Gersdorf, im Bundestag gescheitert. Sie soll nun nach der Sommerpause nachgeholt werden. Laut einem Bericht von Table.Media drängt die SPD darauf, die Richterfrage Ende August zu klären. Aus der Union gibt es Forderungen an ihren Koalitionspartner, eine andere Person ins Rennen zu schicken. Doch die SPD will offenbar an Brosius-Gersdorf festhalten.
Bereits vor ihrem Auftritt bei Markus Lanz hatte sich die Juristin am Dienstag in einer schriftlichen Stellungnahme zu Wort gemeldet. Kritik an ihrer Position war in den vergangenen Tagen nicht nur aus der Politik laut geworden. Vertreter der katholischen Kirche hatten ihre Eignung für das Amt einer Bundesverfassungsrichterin in Frage gestellt.
In einem “Welt”-Interview sagte der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl, er würde es begrüßen, wenn Brosius-Gersdorf auf dieses Amt verzichten würde. “Mir wäre das am liebsten, natürlich”, so Gössl. Brosius-Gersdorfs Position stehe völlig konträr zu der Auffassung der katholischen Kirche. “Es gibt keine Abstufung des Lebensrechts”, so der Geistliche. “Von daher sehe ich da auch wenig Kompromissmöglichkeit.”
Bei Markus Lanz wies die 54-Jährige speziell die Kritik von Gössl in scharfen Worten zurück. Der Bamberger Erzbischof habe ihr Intoleranz und Menschenverachtung vorgeworfen. “Ich finde das infam”, so Brosius-Gersdorf. “Ich möchte einfach mal daran erinnern, dass auch Vertreter der katholischen Kirche an die Verfassungswerte unsere Grundgesetzes gebunden sind und damit auch an meine Menschenwürde und mein Persönlichkeitsrecht.” Ungeachtet dessen habe sie in den vergangenen Tagen Tausende von Zuschriften erhalten, auch von Pfarrern und Pastoren, die sie nachdrücklich aufgefordert hätten, “jetzt nicht zurückzustecken”.
Gleichwohl schloss die Juristin einen Rückzug nicht aus für den Fall, dass die Debatte um ihre Person so groß werde, dass das Verfassungsgericht am Ende beschädigt werden könne. “Sobald das auch nur droht, würde ich an meiner Nominierung nicht festhalten. Das ist ein Schaden, den kann ich gar nicht verantworten”, so Brosius-Gersdorf. “Ich möchte auch nicht verantwortlich sein für eine Regierungskrise in diesem Land, weil wir nicht wissen, was dann hinterher passiert.”