Bonner Haus der Geschichte will sich neu erfinden
Am Puls der Zeit bleiben ist für ein Geschichts-Museum unerlässlich. Deshalb plant das Bonner Haus der Geschichte eine Runderneuerung. Am Wochenende war die letzte Gelegenheit, die bisherige Dauerausstellung zu besuchen.
“Geschichte macht keine Pause. Wir bauen für Sie um.” Ein weithin sichtbares Plakat verkündet, was sich in den kommenden Monaten hinter der Fassade des Hauses der Geschichte in Bonn abspielen wird. Das 1994 von Bundeskanzler Helmut Kohl eröffnete “Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland” will seine Dauerausstellung bis zur Neueröffnung im Dezember 2025 komplett umgestalten. Eines der meist besuchten Museen in Deutschland erfindet sich sozusagen neu.
Am Wochenende strömten die Besucher noch einmal in Scharen in das Haus an der Bonner Museumsmeile. Allein am Samstag waren es 2.000, wie die Direktorin Bildung und Besucherservice, Simone Mergen, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte. Viele hätten sich von der bisherigen Dauerausstellung verabschieden wollen, so Mergen. “Immer noch gut”, laute das Urteil der meisten Gäste über die Anordnung der Exponate vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die unmittelbare Gegenwart.
Diesen Eindruck bestätigen Reinhold Pfeifer und Cordula Seib. Als Gästeführer für Touristen in der ehemaligen Bundeshauptstadt besucht Pfeifer regelmäßig das Haus der Geschichte. Ihm haben es besonders die Sessel aus dem alten Plenarsaal angetan, mit deren Hilfe die Besucher in das Bundestagsfeeling von damals eintauchen können. Die Sitzmöbel solle es wohl auch in der neu konzipierten Dauerausstellung geben, stellt er zufrieden fest. Cordula Seib berühren dagegen besonders die Exponate aus der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit.
Ein sowjetischer Panzer von 1953, der Adenauer-Mercedes oder der Bauch eines Rosinenbombers aus der Zeit der Berliner Luftbrücke: Für jeden ist auf den 4.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche etwas dabei. Und das soll auch so bleiben. Während die Bundesrepublik ihren 75. Geburtstag und 75 Jahre Grundgesetz feiert, wird die museale Erinnerung in Bonn neu sortiert, mit neuen Schwerpunkten versehen, emotionaler und medialer gestaltet.
“Die Neuausrichtung der Dauerausstellung ist eine Herausforderung, die sich in jeder Generation nur einmal stellt”, sagt Harald Biermann, Präsident der Stiftung Haus der Geschichte. “Dafür haben wir 25 Millionen Euro Sondermittel bekommen, elf Millionen allein für den Bau.” Doch zunächst muss ausgeräumt werden: Beinahe alle 7.000 Objekte werden im Depot eingelagert. Anschließend werden alle Einbauten herausgerissen und die Infrastruktur erneuert.
Dennoch bleibt das Museum zugänglich: Ab Mittwoch befasst sich die neue Wechselausstellung “Nach Hitler” damit, wie die Deutschen sich nach 1945 mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt haben. Außerdem soll es nach Voranmeldung Führungen durch das Depot geben, berichtet Simone Mergen.
Inhaltlich soll die neue Ausstellung der jüngeren Vergangenheit mehr Raum geben: “Wir hatten das Problem, dass die Jahre 1945 bis 1949 in der Ausstellung genauso viel Platz besetzt haben wie die letzten 30 Jahre”, erläutert Biermann die Pläne. “Wir werden die Ausstellung so gliedern, dass die Zeit nach der Wiedervereinigung genauso viel Zeit einnimmt wie die Zeit vor der Wiedervereinigung.” Inhaltlich geht es etwa um Globalisierung, Migration, Digitalisierung oder die Klimakrise.
Geplant ist außerdem ein ganz neuer Bereich unter der Überschrift “Heute” – eine Art Labor, eine Reflexionsfläche. Dort will das Museum auf rund 200 Quadratmetern aktuelle Themen aufgreifen und neueste Objekte präsentieren. Und im Entree der Dauerausstellung soll eine LED-Wand platziert werden, die die Silhouetten der Besucher in historische Fotos projiziert – mit der Aussage “Du bist Teil der Geschichte”.
Die Museumsmacher wollen auch auf die veränderten Sehgewohnheiten junger Leute reagieren. Die Zahl der Ausstellungsobjekte wird auf 4.000 verringert; es gibt mehr mediale und mehr Mitmach-Elemente. “Wir wollen emotionaler werden, Empathie wecken. Und zeigen: Museum ist gar nicht so langweilig”, sagt Biermann. Manch ein Besucher vom Wochenende hätte auch schon ein paar konkrete Ideen. So wie der ältere Herr, der im Vorbeigehen ein Bildnis des sowjetischen Herrschers Josef Stalin mit den nicht ganz ernst gemeinten Worten kommentiert: “Da wird demnächst dann vielleicht der Putin hängen.”