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Blick hinter die Kulissen: 6.000 Denkmäler öffnen ihre Türen

Es ist eine Erfolgsgeschichte: Seit 1993 lockt der Tag des offenen Denkmals Millionen Bundesbürger in Schlösser, Fabriken, Kirchen und Arbeitersiedlungen. Doch Denkmalschützer schlagen Alarm.

In seinen historischen Gemäuern geht es um viel Geld. Der Bundesfinanzhof in München ist die höchste Gerichtsinstanz, wenn Bürger gegen Eigenheimzulage, Kindergeldangelegenheiten, Zölle oder Steuern klagen. Das Gericht, das in diesem Herbst seinen 75. Geburtstag feiert, residiert in einem denkmalgeschützten neubarocken Palast mit Hausteinfassaden, Mittelrisalit und Ecktürmen. Am Sonntag, dem Tag des offenen Denkmals, öffnet der imposante Bau seine Tore für die Öffentlichkeit – und ist damit eines von bundesweit mehr als 6.000 Denkmälern, die Besuchern einen Blick hinter die Fassaden ermöglichen.

Der jährlich im September begangene “Tag des offenen Denkmals” gilt als das größte bundesweite Kulturevent. Geplant sind diesmal auch mehr als 9.000 Veranstaltungen und zusätzlich 750 Denkmal-Touren in allen Regionen des Landes, wie die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mitteilt. Sie ist die Koordinatorin der Aktion und feiert in diesem Jahr ihren 40. Geburtstag.

In Berlin stehen mehr als 350 Denkmale und knapp 1.000 Einzelveranstaltungen auf dem Programm. Hamburg legt ein besonderes Augenmerk auf das Welterbe Speicherstadt und Kontorhausviertel, das vor zehn Jahren in die Welterbeliste aufgenommen wurde. In Köln öffnen mehr als 150 Denkmäler ihre Türen. Viele präsentieren sich auch im Internet.

Eröffnet wird die Aktion zentral im ostthüringischen Gera. Zentraler Veranstaltungsort für die Eröffnungsfeier wird das Kultur- und Kongresszentrum, das laut Denkmal-Stiftung ein überregional bedeutendes Beispiel der Ostmoderne ist. In der Stadt gibt es auch neogotische und barocke Sakralbauten, Wohnhäuser des Jugendstilbegründers Henry van de Velde und historische Bierlagerstätten.

Der “Tag des offenen Denkmals” ist eine Erfolgsgeschichte, an der jedes Jahr Hunderttausende teilnehmen. Seit 1993 hat sich die Aktion zu einem Schaufenster für den Denkmalschutz entwickelt. Ob Industriekultur, historische Orte des Genusses, Wohnen im Denkmal, Macht und Pracht, Sakralbauten oder Objekte aus Handel und Verkehr: Von einem “Türöffner für die Denkmalpflege” spricht die in Bonn ansässige Denkmalschutz-Stiftung. Die Aktion verschaffe der Bevölkerung auf lockere Weise ein Bewusstsein für das kulturelle Erbe und wecke bei Jung und Alt Verständnis dafür, warum sie schützenswert seien.

Doch in diesem Jahr wollen die Veranstalter den Finger in eine Wunde legen: Schon das Motto “Wert-voll: unbezahlbar oder unersetzlich?” deutet an, dass der Denkmalschutz mit Problemen kämpft. Er erhalte in Gesellschaft und Politik immer weniger Rückhalt und werde in der Öffentlichkeit meist negativ dargestellt – und nicht als wertvolles Instrument oder Chance, heißt es in einem im August veröffentlichten “Schwarzbuch Denkmalpflege”.

“Fast täglich fallen historische Objekte Abrissbaggern und destruktiven Planungen zum Opfer. Und das meist unbemerkt”, alarmiert die Stiftung in ihrer Publikation. “Jedes Jahr gehen viele Objekte unwiederbringlich verloren – und jedes verlorene Denkmal ist auch ein Stück verlorene Erinnerung, Identität und Kultur.”

Wie viele Denkmale Deutschland hat, wie viele jedes Jahr dazukommen und wie viele vernichtet werden, darüber gibt es keine genauen Zahlen. Nach Schätzungen der Stiftung sind nur drei bis vier Prozent des Baubestands denkmalgeschützt. Dabei seien Denkmale eine “Quelle und Basis für die Zukunft”; sie prägten das Gesicht vieler Städte und Dörfer. Das Schwarzbuch verweist darauf, dass 2023 und 2024 pro Jahr jeweils mehr als 400 Denkmale aus den Listen der Bundesländer ausgetragen worden seien. “Zumeist bedeutet das ihren anstehenden oder bereits erfolgten Verlust.”

Die Stiftung fordert deshalb unter anderem eine bundesweit einheitliche Erfassung des Denkmalbestands. Auch sollte es eine transparente Veröffentlichung von Abrissvorhaben, Streichungen von der Denkmalliste und Denkmalverlusten geben.