“Frieden, Hoffnung, die großen Worte” – Wenn am Sonntag Papst Leo XIV. im Libanon eintrifft, erwartet die leidgeplagte Bevölkerung des Landes das mit Spannung, sagt ein Bischof aus Beirut. Doch was kann der Papst tun?
Was wird der Besuch von Papst Leo XIV. im Libanon bewirken können? Der Apostolische Vikar von Beirut, Bischof Cesar Essayan, warnt vor Illusionen: “Papst Leo XIV. kann nicht tun, was eigentlich unsere Aufgabe ist”, sagte er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) an seinem Amtssitz in Jeita nördlich von Beirut. Seine Hoffnung sei, dass es dem Papst gelinge, den Christen und der Kirche neuen Elan zu verleihen und das Land auf die richtige Bahn zurückzubringen.
Frage: Bischof Cesar, mit welchen Erwartungen werden die Libanesen den Papst begrüßen?
Antwort: Sie erwarten sich Frieden, Hoffnung, die großen Worte. Auf einer mehr praktischen Ebene erwarten alle, dass der Papst der libanesischen Kirche einen neuen Elan gibt und in einen Diskurs mit der Politik tritt, der das Gewissen neu erweckt. Ich will nicht sagen, dass wir kein Gewissen haben, aber es muss neu für den Frieden erweckt werden. Jeder hier arbeitet auf seine Weise, aber wir arbeiten nicht genug zusammen. Die Erwartung ist, dass der Papst das Land zurück auf den richtigen Weg bringt. Dass der Papst sich 48 Stunden Zeit für den Libanon nimmt, ist ein Segen.
Frage: Sehen das alle Libanesen so, oder nur die Christen?
Antwort: Ich denke, dass diese Sicht von allen geteilt wird. Es gab im Vorfeld Kontakte zwischen den verschiedenen Gruppen und dem Vatikan, es gab Korrespondenz. Auch die Hisbollah hat erklärt, man empfange den Papst mit Freude. Der Papst wird sich Zeit nehmen, sich mit allen zu treffen und ihnen zuzuhören. Sie wünschen sich von ihm, dass er eine Vision mitbringt, die anders ist, als die Realität die wir leben.
Frage: Was für ein Land wird der Papst vorfinden, wenn er am Sonntagnachmittag in Beirut landet?
Antwort: Er wird ein zutiefst zerrissenes Land vorfinden, in jeder Hinsicht. Ein Land, das schlecht geführt wird. Ein Land, dass mit einer sozioökonomischen Krise zu kämpfen hat, das in der Armut lebt. Es gibt nur wenige, die reich sind, aber sie vermitteln den Eindruck, dass der Libanon ein reiches Land ist. Die Preise sind hoch, die Gehälter korrespondieren nicht mit den Preisen. Und er wird ein Land vorfinden, in denen die Partisanen der verschiedenen Parteien mit verbaler Aggressivität gegeneinander aufwiegeln.
Frage: … Und das sich weiter im Krieg mit Israel befindet?
Antwort: Israel hört nicht auf, das Land zu bombardieren. Über uns fliegen israelische Drohnen. Manche wollen einen neuen Bürgerkrieg, etwa zwischen Christen und Schiiten. All dies lässt keine Ruhe zu und macht es schwierig, normale zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen. Wir erleben eine Korruption der Funktionäre überall. Alles in unserem Leben ist vergiftet. Gleichzeitig gibt es eine Verleugnung. Viele Libanesen lehnen es ab, diese Realität anzuerkennen.
Frage: Hat der Waffenstillstand mit Israel zu einer Verbesserung beigetragen?
Antwort: Es geht nicht um die Frage, ob der Krieg aufhört oder nicht, ob die Hisbollah entwaffnet wird oder nicht. Hier steht ein ganzes Land in menschlicher Hinsicht vor dem Konkurs. Das nötigste zu einem würdigen Leben ist nicht da. Und es gibt keine Gerechtigkeit. Nehmen wir das Beispiel der Explosion im Hafen von Beirut vor fünf Jahren. Bis heute sagt keiner die Wahrheit, was passiert ist. Es bleibt ein Messer in der Wunde der Opfer. Leider schafft es der Papst es zeitlich nicht, auch den Süden zu besuchen, der weiter bombardiert wird und wo alle in totaler Unsicherheit leben.
Frage: Kann der Papst mit seinem Besuch an der düsteren Lage etwas verändern?
Antwort: Ich glaube nicht, dass er vorgeben wird, etwas ändern zu können. Man darf sich keine Illusionen machen. Der Heilige Stuhl hat sich immer dafür eingesetzt, dass die Botschaft des Libanon erhalten bleibt. Das kann Papst Leo XIV. bekräftigen. Er kann den Christen einen Anstoß geben, den Mut zu haben, um ihre Berufung wiederaufzunehmen. Aber Papst Leo XIV. kann nicht tun, was eigentlich unsere Aufgabe ist. Sein Besuch wird vielleicht zu 48 Stunden Euphorie führen, aber dann fährt er wieder. Die Straßen, die er nutzen wird, wurden neu asphaltiert, die Armut bleibt versteckt. Aber sein Besuch wird den Libanon wieder in die internationale Szene bringen. Sein Besuch mahnt dazu an, den Libanon nicht anzurühren.
Frage: Sie meinen Israel?
Antwort: Israel, Syrien, eine Spaltung des Landes nach Konfessionen. Die Botschaft des Libanon wird durch territoriale Unversehrtheit geschützt, nicht durch Divisionen. Die Christen leben in der Illusion, dass ein kleiner christlicher Kanton sie retten könnte. Aber es würde sie nicht schützen. Eine Aufteilung des Landes würde zu ewigen Spannungen und Toten führen. Niemand rettet sich allein. Entweder retten wir uns gemeinsam, oder gehen alle unter.