„Vatikan hat Angst vor Auseinanderbrechen der Kirche“

Drei Wochen vor dem Kirchentag verteidigen Katholiken das gemeinsame Abendmahl aller Christen. In Frankfurt soll es beim Gottesdienst am letzten Abend gefeiert werden.

Heinrich Bedford-Strohm (li.) und Georg Bätzing bei einem gemeinsamen Gottesdienst. In Frankfurt ist sogar ein gemeinsames Abendmahl geplant
Heinrich Bedford-Strohm (li.) und Georg Bätzing bei einem gemeinsamen Gottesdienst. In Frankfurt ist sogar ein gemeinsames Abendmahl geplant

Frankfurt a.M. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, beharrt auf einem eigenständigen Kurs der Katholiken in Deutschland. „Die Kirche kann nicht zentral gesteuert werden“, sagte der Limburger Bischof zu den Konflikten mit dem Vatikan. Bei einer Diskussionsveranstaltung mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte Bätzing in Frankfurt am Main, die Kirche müsse im Rahmen der katholischen Glaubenslehre und des Kirchenrechts dezentral leben und entscheiden können.

Bätzing erklärte die teils scharfen Töne aus dem Vatikan zum Reformprozess Synodaler Weg und Plänen für konfessionsübergreifende wechselseitige Einladungen zum Abendmahl mit der Sorge um die Einheit der Kirche. „Ich glaube, es herrscht Angst“, sagte der oberste Repräsentant der deutschen Katholiken. Aus dieser Angst heraus greife der Vatikan bisweilen zu falschen Instrumenten.

Nur noch 80 Veranstaltungen

Die Spitzenvertreter der beiden großen Kirchen blickten drei Wochen vor Beginn auf den Ökumenischen Kirchentag. Ursprünglich hatte das Christentreffen vom 12. bis 16. Mai Zehntausende Menschen in Frankfurt zusammenbringen sollen zu Vorträgen, Diskussionsrunden, Workshops, Gottesdiensten und Konzerten. Wegen der Corona-Pandemie wurde das Programm deutlich verkleinert, die Angebote sind weitgehend digital. Statt der ursprünglich geplanten mehr als 2.000 Veranstaltungen wird es nun etwa 80 geben, beginnend an Christi Himmelfahrt bis zum darauffolgenden Sonntag.

Fröhliche Stimmung auf einem Kirchentag – leider ein Archivbild
Fröhliche Stimmung auf einem Kirchentag – leider ein ArchivbildNorbert Neetz / epd

Ein wesentlicher theologisch begründeter Dissens im Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten ist seit vielen Jahren nicht ausgeräumt: die wechselseitige Teilnahme am Abendmahl. Bei den Gottesdiensten mit Abendmahl oder Eucharistie am letzten Abend des Kirchentags sollen Christen gleich welcher Konfession an allen Mahlfeiern teilnehmen können, wenn sie dies mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Damit riskieren vor allem die katholischen Organisatoren, neben dem Zentralkomitee auch das Bistum Limburg mit Bischof Bätzing an der Spitze, einen Konflikt mit dem Vatikan.

Bedford-Strohm, der einen orthodoxen Gottesdienst besuchen will, sprach von einem „Netz von Gastfreundschaften“, das mit den vier Gottesdiensten gespannt werden soll. Im Zentrum dessen stehe Jesus Christus.

„Nur Jesus lädt ein“

Grundlage für die wechselseitige Einladung zu Abendmahl und Eucharistie beim Kirchentag ist ein Votum des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen „Gemeinsam am Tisch des Herrn“, das 2019 veröffentlicht wurde. Darin sprachen sich führende Theologen beider Konfessionen, unter ihnen auch Bischof Bätzing, für die Möglichkeit der wechselseitigen Teilnahme an Eucharistie und Abendmahl aus, weil nach ihrer Auffassung nicht die Kirche, sondern Jesus Christus zum Abendmahl einlädt. Grundlegend dafür ist die Taufe. Der Vatikan, der in Fragen der katholischen Lehre maßgeblich ist, hatte das Votum des Arbeitskreises abgelehnt.


Mehr zum Thema
„Schaut hin“ – aber nur digital
Wie Gemeinden den Kirchentag nach Hause holen
Corona-Schnelltests für Ökumenischen Kirchentag geplant


Bislang können evangelische und katholische Christen nicht gemeinsam Abendmahl feiern, das würde eine kirchliche Einheit voraussetzen. In Ausnahmefällen ist eine Teilnahme etwa von Ehepartnern evangelischer Konfession an der katholischen Eucharistie möglich.

Ehrliche Mitgliedschaft in der Kirche

Der bayerische Landesbischof betonte angesichts sinkender Kirchenmitgliedszahlen, die Zeit einer Kirche als „gesetzte Institution“ sei vorbei. Heute gehe es darum, unter den Bedingungen des Pluralismus und der Individualisierung die Kraft der christlichen Botschaft deutlich zu machen. Kirchenmitgliedszahlen seien heute „viel ehrlicher“ als früher, als Menschen nach einem Austritt sozial ausgegrenzt worden seien. „Die Menschen, die jetzt in der Kirche sind, wissen auch warum“, sagte Bedford Strohm. Daher sei er zuversichtlich, dass auch eine Kirche mit weniger Mitgliedern ausstrahlungsstark sein könne. (epd)