Bilanz nach 140 Weihnachtsgottesdiensten

An keinem anderen Tag des Jahres sind die Kirchen so voll wie zu Heiligabend. Familienmitglieder werden vorgeschickt, um eine Kirchenbank zu reservieren – so wie es sonst nur im sommerlichen Pauschalurlaub auf Mallorca zu beobachten ist.

„Weihnachten gehört neben Ostern und Pfingsten zu den wichtigsten Festen des Christentums“, sagt Julia Bazlen, angehende Pfarrerin der württembergischen Landeskirche. Viele Menschen liebten das Weihnachtsfest und den Gottesdienst aber auch aus Gründen, die mit dem kirchlichen Ursprung des Festes wenig zu tun hätten: „Die besinnliche Stimmung durch Kerzen, die die Dunkelheit draußen erhellen, die vielfältige Musik und die Aufführungen der Kinder begeistern viele Menschen.“

Bazlen ist Vikarin in der Evangelischen Kirchengemeinde Bad Urach und Seeburg auf der Schwäbischen Alb. Die 26-Jährige will Pfarrerin werden und befindet sich nach dem Theologiestudium nun im praktischen Teil ihrer Ausbildung. In diesem Jahr wird sie ihren ersten Weihnachtsgottesdienst halten – zwei, um genau zu sein: einen Familiengottesdienst an Heiligabend mit Krippenspiel und einen Gottesdienst im Pflegeheim am ersten Weihnachtsfeiertag.

Die Botschaft, die sie weitergeben möchte, ist in beiden Gottesdiensten dieselbe: „Jesus ist bei uns, auch in den Krisen unseres Lebens. Er hört unsere Gebete und lädt jeden zu sich ein.“ Die Menschen wünschten sich gerade in Krisenzeiten eine Hoffnungsbotschaft, ist die junge Frau überzeugt: „Die können wir als Christen bieten.“ Ein wenig aufgeregt sei sie allerdings schon vor ihren ersten beiden Weihnachtsgottesdiensten, räumt Bazlen ein. „Vor allem hoffe ich, dass die Kinder bis Weihnachten ihre Texte für das Krippenspiel können“, sagt sie lächelnd.

Auch Raphael Schüttler wird in diesem Jahr seinen ersten Weihnachtsgottesdienst halten. Der 26-Jährige ist wie Bazlen angehender Pfarrer, derzeit Vikar in der Evangelischen Kirchengemeinde Wannweil im Landkreis Reutlingen. Für ihn besteht ein guter Weihnachtsgottesdienst aus festlicher Musik, andächtigen Momenten sowie einer Botschaft, die von Herzen kommt und den Menschen hoffnungsvolle Perspektiven schenkt. Er werde all das in diesem Jahr in einem Weihnachtsmusical verpacken, das er gemeinsam mit Mitgliedern der Kirchengemeinde für Heiligabend vorbereitet hat, sagt Schüttler. Die Weihnachtsbotschaft sei so aktuell wie vor 2.000 Jahren: „Gott wird Mensch. Er lebt und leidet mit. Die Frage ist, ob wir ihm Beachtung schenken.“

Friederike Hönig stehen nicht ihre ersten, sondern ihre offiziell letzten Weihnachtsgottesdienste bevor. Die 65-jährige Pfarrerin aus Wangen im Allgäu wird im kommenden Jahr in Pension gehen. Rund 140 Weihnachtsgottesdienste hat sie in ihrem Berufsleben bisher gehalten, schätzt sie. In den kommenden Tagen werden noch einmal drei hinzukommen. Und in den nächsten Jahren hoffentlich noch weitere – „je nachdem, wie viel Unterstützung die Kollegen brauchen“, sagt Hönig. Sie stünde jederzeit für Vertretungsdienste zur Verfügung.

Was war ihr bislang kuriosester Weihnachtsgottesdienst? „Der fiel definitiv in die Corona-Zeit“, antwortet sie, ohne zu zögern. „Wir hatten ein Jugendkrippenspiel vorbereitet, mit dem wir auf einem Pritschenwagen draußen bei schlechtem Wetter umherzogen“, berichtet sie. „Alle haben sich so bemüht, die Abstandsregeln einzuhalten, und doch zugleich als Gemeinschaft, als Gemeinde, als Kirche da zu sein.“ Da sei ganz viel Nächstenliebe und Barmherzigkeit im Spiel gewesen.

Welchen Rat hat sie an die jungen Kolleginnen und Kollegen, die jetzt ins Pfarramt kommen? „Lebt den Menschen eine Kirche vor, die Hoffnung für die Mächtigen ebenso da ist wie für die an den Rand Gedrängten. Und vor allem: Bleibt dabei authentisch.“ (3042/21.12.2023)