Bestsellerautor Kazim: Mehr von Angesicht zu Angesicht reden

Auf dem Weg zu konstruktiven Lösungen für die Krisen in der Gesellschaft muss nach Auffassung des Bestsellerautors Hasnain Kazim mehr miteinander geredet werden, und zwar „von Angesicht zu Angesicht“. „Das passiert zu selten“, kritisierte der politische Journalist im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Kazim ist per Rad und mit Unterbrechungen ein Jahr lang kreuz und quer durch Deutschland gefahren, um auf der Suche nach dem, was das Land zusammenhält, mit Menschen zu sprechen.

Darüber hat er ein Buch unter dem Titel „Deutschlandtour“ geschrieben, dessen Inhalte er am Sonntagabend bei einem kirchlichen Empfang in Stade vorstellen wollte. Der gebürtige Oldenburger und Sohn indisch-pakistanischer Einwanderer ist im Alten Land zwischen Stade und Hamburg aufgewachsen.

Auf seiner Radtour sei er durch Orte gekommen mit einer Zustimmung von 50 Prozent für die in Teilen rechtsextreme AfD, sagte der 49-Jährige, der jetzt in Wien lebt. Er habe aber nicht glauben wollen, dass bis zu 50 Prozent der Menschen dort rechtsextrem seien.

„Ich bin mir nicht mehr so sicher, ob die Leute wissen, wen sie da wählen“, sagte Kazim. In vielen Gesprächen habe er gehört, dass sich Menschen damit nicht beschäftigt hätten. „Oder sie glauben nicht, dass die AfD rechtsextrem ist. Oder ihre Wut auf die anderen Parteien und ihr Frust darüber, wie Politik gemacht wird, ist größer als die Befürchtung, dass die AfD Schaden anrichten könnte.“

Seine Hauptkritik halte er allerdings aufrecht. „Menschen, die diese Partei wählen, wählen damit Rechtsextremisten auf demokratischem Weg an die Macht.“ Andererseits entstehe Frust, weil Politik und Medien aus Sicht vieler Menschen eine ideologisch getriebene großstädtische, meist auch hauptstädtische und akademische Sicht auf die Dinge verbreiteten. Das betreffe nicht ihre Lebensrealität. Sein Eindruck sei, dass man mit diesen Menschen reden könne. „Ich glaube, dass man sie wieder für das Demokratische gewinnen kann“, betonte Kazim.

Dabei komme es darauf an, Maß und Mitte einzuhalten. „Das heißt für mich grundsätzlich, alle Seiten zu hören und nicht jemanden, der eine andere Meinung hat, sofort als Feind zu sehen – abgesehen natürlich von Extremisten.“ Klar müsse aber auch sein, dass es kein Recht auf Freiheit vor Widerspruch gibt. „Man muss sich eben auch andere Meinungen anhören, nicht nur aushalten, sich fragen: Ist die eigene Position noch richtig oder nicht? Und sie dann möglicherweise ändern.“

Auf der Suche nach dem, was das Land zusammenhalte, sehe er eine Leitkultur, die politisch nicht missbraucht werde, um Menschen auszugrenzen. „Was uns eint, lässt sich nicht mit einem Wort benennen. Ich sehe fünf Punkte: Es ist unsere Sprache, unsere Kultur in all ihren Facetten, unsere Geschichte, unsere vielfältige Küche und die Religion, das Christentum, das allerdings eine immer kleinere Rolle spielt.“