Berliner Sankt Hedwigs-Kathedrale im Wandel
Am Sonntag wird die Berliner Sankt Hedwigs-Kathedrale wiedereröffnet. Sechs Jahre dauerte die umbaubedingte Schließung. Eine kurze Geschichte ihrer Entstehung, des Umbaus und der Neuerungen.
Jeder Kirchenbau hat seine eigene Geschichte. Die Geschichte der Berliner Sankt Hedwigs-Kathedrale ist eine Geschichte der Metamorphosen. Architektonisches Vorbild war das antike Pantheon in Rom. Die Planer waren Wenzeslaus von Knobelsdorff, Jean Laurent Legeay und Johann Boumann der Ältere. Der Bau entstand aber auch auf Initiative von Friedrich dem Großen. Anlass war die wachsende Zahl der Katholiken in Preußen durch den Ausbau der Armee und die Eroberung Schlesiens. Nicht zufällig ist die Kirche nach der Patronin der neuen Provinz, der heiligen Hedwig von Schlesien (1174-1243), benannt. Geweiht wurde der runde Kuppelbau am 1. November 1773.
Seit der Weihe wurde die Kirche im Herzen Berlins mehrfach umgestaltet. Der lange Zeit stärkste Eingriff fand nach dem Zweiten Weltkrieg statt, in dem Bomben die Kathedrale bis auf die Umfassungsmauern zerstörten. Bis 1963 baute sie der renommierte Düsseldorfer Architekt Hans Schwippert (1899-1973) innen in modernen Formen wieder auf. Eine architektonische Besonderheit war seitdem eine rund acht Meter große Bodenöffnung im Zentrum des Kirchenraums. Über eine Treppe war damit die Unterkirche mit den Grabkapellen der Berliner Bischöfe und des seligen Dompropsts Bernhard Lichtenberg (1875-1943) erreichbar.
Während der Amtszeit von Kardinal Rainer Maria Woelki in Berlin (2011-2014) kam man im Erzbistum Berlin zu der Erkenntnis, dass der Innenraum der Kathedrale mit seiner Bodenöffnung nicht mehr zeitgemäß sei für die moderne Liturgie. O-Ton Woelki: “Wenn ich am Altar die Messe zelebriere, fällt das Dialogische ins Loch.” Im Zuge der aufwendigen Sanierung und Umgestaltung nach Entwürfen des Architekturbüros Sichau & Walter ab September 2018 wurde die markante Bodenöffnung geschlossen – trotz Kritik unter anderem von Denkmalpflegern, aber auch von Gemeindemitgliedern und Künstlern.
Zeitweise beschäftigte der Umbau im Inneren sogar das Landgericht Berlin. Die bis dahin jährlich mehr als 200.000 Besucher mussten vor den Gittern der Baustelle bleiben. Als “Ersatz-Bischofskirche” fungierte während der Zeit die Kirche Sankt Joseph im Wedding. Die prognostizierten Gesamtkosten für den Umbau und die Sanierung der Bischofskirche belaufen sich laut Erzbistum auf 44,2 Millionen Euro. Zu Beginn 2016 hatte das Erzbistum mit 43 Millionen Euro kalkuliert.
Aus Kostengründen wurde die ursprüngliche Planung reduziert. So fiel eine große Unterkellerung des Hofs zwischen dem benachbarten Bernhard-Lichtenberg-Haus, das ebenfalls derzeit umfangreich saniert wird, und der Kathedrale dem Rotstift zum Opfer.
Mit der renovierten Kathedrale will das Erzbistum sowohl Katholiken wie auch neue Zielgruppen ansprechen. Ziel sei es, dass die Bischofskirche am Bebelplatz zu den “Top Ten” der Orte in Berlin werde, die man gesehen haben müsse, wenn man die Hauptstadt besuche. Die Voraussetzungen dafür scheinen günstig: Zusammen mit Humboldt-Universität, Staatsoper und Königlicher Bibliothek bildet das Gotteshaus am Boulevard Unter den Linden das Ensemble des Forums Fridericianum. Eine Top-Lage mitten im Zentrum. Wer sowieso schon dort ist, kann den Kathedralen-Besuch komfortabel ergänzen.
Am Sonntag ist die feierliche Wiedereröffnung der Kathedrale. Im neu gestalteten Inneren dominiert in der Mitte der neue halbkugelartige schlichte Altar. Er wurde mit rund 2.000 Steinen gefertigt, die vor allem Menschen aus dem Bistumsgebiet in Berlin, Brandenburg, Vorpommern und Sachsen-Anhalt beisteuerten, aber auch aus vielen anderen Ländern.
Die Altarweihe fand bereits am 1. November 2023 statt. Der Altar korrespondiert jetzt mit einer runden Öffnung (“Opaion”) genau darüber in der Kuppel. Die Linie zwischen Altar und Oberlicht lässt sich auch theologisch deuten: Sie steht für den Dialog zwischen Gott und Mensch. Kreisförmig um den Altar herum – auch das ist neu – sind Stuhlreihen gruppiert. Äußerlich hat sich die Kathedrale kaum verändert: Lediglich das goldene Kreuz ist von der Kuppelspitze auf den Eingangsgiebel gewandert.
Im Zentrum der Unterkirche (Krypta) befindet sich ein auffällig großes Taufbecken, das auch Ganzkörpertaufen möglich machen soll. Die Unterkirche wird mit Kapellen und Bischofsgräbern zu Ehren der heiligen Hedwig und des seligen Dompropstes und Hitler-Gegners Bernhard Lichtenberg im Unterschied zu ihrer früheren Erscheinung vor dem Umbau eine mystisch-dunkle, katakombenähnliche Aura besitzen.
Ein “Eye-catcher” ist die neuinstallierte weiße, wabenartige Innenkuppel, die dem Innenraum eine fast schon transzendente Helligkeit ohne Kitsch verleiht. Und Astrologie-Fans kommen bei der Fenstern der Kathedrale auf ihre Kosten: In ihnen ist durch eingearbeitete “Luftblasen” die Sternenkonstellation zum Zeitpunkt der Geburt Christi abgebildet.