Deutschland galt mal als Apotheke der Welt. Jetzt will die Bundesregierung dafür sorgen, dass die deutsche Pharmaindustrie in der Weltspitze mitmischen kann.
Deutschland soll nach dem Willen der Bundesregierung wieder ein attraktiverer Standort für die pharmazeutische Forschung werden. Dazu verabschiedete das Bundeskabinett am Mittwoch den Entwurf eines Medizinforschungsgesetzes. Es ist Teil der Pharmastrategie der Bundesregierung und soll die Rahmenbedingungen für Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten verbessern.
Das Gesetzesvorhaben ist ein gemeinsames Produkt des Bundesgesundheitsministeriums und des Bundesministeriums für Umwelt, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) erklärte, durch das Gesetz sollten unter anderem Zulassungsverfahren für forschungsbedingte Strahlenanwendungen vereinfacht und Doppelprüfungen abgebaut werden. Dabei blieben hohe ethische und wissenschaftliche Standards gewahrt und ein wirksamer Strahlenschutz erhalten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betonte, schnelle, verlässliche und unbürokratische Verfahren stärkten den Forschungsstandort und kämen auch Patientinnen und Patientinnen in Deutschland zugute, die von neuen Therapien profitieren könnten.
Ein Kernstück des Gesetzes ist die Verzahnung des strahlenschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens mit den medizinischen Genehmigungsverfahren. Unbürokratische Entscheidungswege soll es auch dadurch geben, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) näher zusammenrücken, wobei das BfArM die Steuerungsfunktion hat. Die Pharmaindustrie hatte die Antragsverfahren bei verschiedenen Behörden als zeitintensiv und kostenaufwändig kritisiert.
Auch bei der ethischen Bewertung sollen Verfahren gestrafft werden. So soll es künftig eine bundesweite Ethikkommission unter dem Dach des BfArM geben, die für besonders eilige oder anspruchsvolle Verfahren zuständig sein soll. Ihre Mitglieder sollen direkt vom Bundesgesundheitsministerium berufen werden.
Die Bundesärztekammer und mehrere Landesärztekammern hatten dieses Vorhaben kritisiert. Der Bund trete dadurch in direkte Konkurrenz zu den seit Jahrzehnten in den Ländern errichteten Ethikkommissionen, kritisierten sie. Dies führe zum Aufbau einer Parallelbürokratie und zu Zeitverlust.
Heftig umstritten ist auch das Vorhaben von Lauterbach, vertrauliche Erstattungsbeträge für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen zu ermöglichen. Bisher sind verhandelte Erstattungsbeträge für neue Arzneimittel öffentlich einsehbar. Da Deutschland als Referenzland für Arzneimittelpreise in vielen anderen Ländern gilt, müssen die Hersteller nach eigenen Angaben die Kosten für neue Medikamente hierzulande künstlich hochhalten, um nicht in eine Abwärtsspirale zu geraten. Wären die Absprachen geheim, könnte die Pharmaindustrie ihre Produkte in Deutschland zu niedrigeren Preisen anbieten. Diese Argumentation wird allerdings von den Krankenkassen bezweifelt. Sie befürchten Mehrausgaben zu Lasten der Patienten und sinkende Transparenz bei den Preisen.