Berlin: Gedenkkirche wird 60

„Eine Ökumene, hinter die wir nicht zurückdürfen“: Maria Regina Martyrum in Berlin-Charlottenburg

Der Glockenturm wird ökumenisch genutzt.
Der Glockenturm wird ökumenisch genutzt.Gunnar Lammert-Türk

„Allen Blutzeugen, denen das Grab verweigert wurde. Allen Blutzeugen, deren Gräber unbekannt sind.“ So ist es auf dem Boden der Krypta von Maria Regina Martyrum zu lesen. Am 5. Mai 1963 als Gedenkkirche der deutschen Katholiken für die Opfer des Nationalsozialismus eingeweiht, gedenkt sie nicht nur der Katholiken, die aus Glaubens- und Gewissensgründen dem NS-Regime widerstanden und dafür ihr Leben ließen. Sie schließt auch Christen anderer Konfessionen in das Gedenken ein.

Stellvertretend für diese „Ökumene der Märtyrer“ stehen der Jesuitenpater Alfred Delp und der protestantische Jurist Helmut James Graf von Moltke. Verbunden in der Widerstandsgruppe „Krei-sauer Kreis“ pflegten sie, zum Tode verurteilt, als Zellennachbarn im Gefängnis Tegel, unterstützt durch die Pfarrer Peter Buchholz (katholisch) und Harald Poelchau (evangelisch), in Bibellektüre und Gebet eine geistliche Gemeinschaft, die sie bestärkte und auf den Gang zum Galgen in Plötzensee vorbereitete.

Grab verweigert

Die Asche ihrer nach der Hinrichtung eilig verbrannten Leichen wurde auf den Rieselfeldern vor Berlin verstreut. Ein Grab wurde ihnen verweigert. An dessen Stelle sind ihre Namen neben denen von Bernhard Lichtenberg, der auf dem Weg ins Konzentrationslager Dachau starb, und Erich Klausener, der 1934 ermordet wurde, auf dem Boden der Krypta festgehalten.

Hinter den Inschriften ist die Namensgeberin der Kirche in der Figur einer Pietà zu sehen. Die Schmerzensmutter mit ihrem toten Sohn trägt unter vielen Ehrentiteln auch den einer „Königin der Märtyrer“. Dieser Titel in seiner lateinischen Fassung wurde als Name der Gedenkkirche gewählt, nicht, weil Maria selbst das Martyrium erlitten hätte, sondern weil die Leiden ihrer Seele um ihren Sohn denen der Märtyrer gleichgeachtet werden.

Das Altarbild hat Georg Meistermann geschaffen
Das Altarbild hat Georg Meistermann geschaffenGunnar Lammert-Türk

Wie eine riesige Zelle

Wenige hundert Meter vom ehemaligen Hinrichtungsschuppen, der heutigen Gedenkstätte Plötzensee, entfernt, gemahnt schon die äußere Erscheinung der Kirche an Bedrängnisse durch das NS-Regime: Der Glockenturm erinnert an die Wachtürme von Konzentrationslagern; der sich anschließende, von dunklen Platten eingefasste große Hof lässt ebenfalls an Straflager denken. Die Kirche im Obergeschoss mit ihren hohen grauen schmucklosen Wänden wirkt wie eine riesige Zelle.

Dieser dunklen Seite wird eine helle und farbenreichere als symbolischer Ausdruck der Quellen des Widerstands, der moralischen und religiösen Überzeugungen der christlichen NS-Opfer, gegenübergestellt: Nach außen hin scheint der weiße Kubus des Kirchenbaus, nur gehalten von der Hofmauer und zwei schmalen Betonstützen, zu schweben. Innen wirkt das über die Breite des Raums reichende Altarbild von Georg Meistermann wie eine Spirale aus Farbflecken, die zur Mitte immer heller wird, wo ein Auge und ein Lamm zu sehen sind. Es ist das Lamm aus der Johannes-Apokalypse, vor dem die Märtyrer stehen.

In der Verpflichtung, anzuknüpfen

Maria Regina Martyrum kooperiert beim Gedenken mit den zwei nach ihr errichteten evangelischen kirchlichen Gedenkorten in der Nähe, der Sühne-Christi-Kirche am Halemweg und vor allem mit dem Gemeindezentrum Plötzensee: durch ökumenische Gottesdienste am Hinrichtungsort Plötzensee, unter anderem jedes Jahr am 20. Juli, durch ökumenische Friedensgebete in der Krypta von Maria Regina Martyrum, durch Themenabende zu christlichen Widerständlern. Die Absicht beschreibt der Rektor von Maria Regina Martyrum, Pfarrer Monsignore Hansjörg Günther, so: „Was damals begann im Gefängnis vor der Hinrichtung in Plötzensee, ist eine Ökumene gewesen, hinter die wir heute nicht mehr zurück dürfen. Wir stehen in der Verpflichtung, daran anzuknüpfen.“

6. Mai, 19 Uhr: „Die Freiheit, die Fesseln trägt“. Johannes Passion und der Prozess um die Märtyrer des Widerstandes vor dem Volksgerichtshof 1945 – Eine szenische Collage, Gedenkkirche Maria Regina Martyrum, Heckerdamm 230; 17 Uhr: Einführung durch Pater Klaus Mertes SJ, Ev. Gedenkkirche Plötzensee, Heckerdamm 226