Berlin-Buch: Kirchengemeinde protestiert gegen Wohnungsneubau

Die Kirchengemeinde in Berlin-Buch unterstützt den Protest einer Bürgerinitiative gegen aktuelle Bauvorhaben.

Wolfgang Mochmann von der Kirchengemeinde Berlin-Buch protestiert
Wolfgang Mochmann von der Kirchengemeinde Berlin-Buch protestiertNura Qureshi

In Buch, einem Ortsteil im Nordosten Berlins, gibt es Widerstand gegen Pläne des Senats, hier 2.200 bis 3.000 neue Wohnungen zu bauen. Auch die örtliche Kirchengemeinde Berlin-Buch wendet sich gegen das Vorhaben. Warum? Im Gespräch mit Uli Schulte Döinghaus antwortet Wolfgang Mochmann. Der Reli-gionslehrer ist Mitglied im Gemeindekirchenrat und engagiert sich in der „Bürgerinitiative Buch am Sandhaus“.

Was geht die Evangelische Kirche der geplante Wohnungsneubau in Berlin-Buch an? Warum engagieren sich evangelische Christen dort gegen das Neubauvorhaben des Landes Berlin?
Mochmann: Wir sind Teil der Bürgergemeinde und wichtige lokale Akteure – sowohl als Körperschaft als auch als Individuen. Als evangelische Christen vor Ort übernehmen wir zivilgesellschaftliche Verantwortung in einem Stadtteil am Rande von Berlin.

Gibt es über Ihr Engagement Einigkeit in der Kirchengemeinde?
Der Gemeindekirchenrat ist sich einstimmig einig darüber, den Protest zu unterstützen. Das war vor zwei Jahren schon so, als es eine große Unterschriftenaktion gab. Sie führte unter anderem dazu, dass unsere Kirchengemeinde Mitte Januar 2023 zu einer Anhörung im Abgeordnetenhaus eingeladen wurde. Sehr kleine Anteile an den Flächen, die jetzt beplant werden, gehören sogar der Kirchengemeinde. Die Flächen sind und bleiben langfristig verpachtet.

In vielen Stellungnahmen, Aufrufen, öffentlichen Predigten und Fürbitten setzt sich die evangelische Kirche in Bund und Land, unterstützt durch diakonische Gremien, für viel mehr bezahlbaren und sozialen Wohnungsbau hierzulande ein. Geht Ihnen das gegen den Strich?
Weder die Kirchengemeinde noch die örtliche Initiative sind gegen weiteren Wohnungsbau, aber er muss natur- und sozialverträglich sein, Arten und Klima möglichst wenig beeinträchtigen. Großsiedlungen am Stadtrand sind kein Modell, das man jetzt weiter unterstützen sollte. Zumal Buch in der Vergangenheit genug gelitten hat. Der Ortskern wurde zu DDR-Zeiten mit 11-geschossigen Gebäuden zugepflastert, was die Aufenthaltsqualität im Zentrum nicht gerade verstärkt hat.

Bis zu 4.000 neue Einwohner, manche sprechen sogar von 5.000 bis 6.000 neuen Bewohnern, sollen später in Buch leben. Mit wie vielen zusätzlichen Bewohnern könnten Sie leben?
Wir würden uns über nicht mehr als 1000 neue Nachbarn freuen. Für sie soll dort über vier oder fünf Stockwerke gebaut werden, wo ohnehin versiegelte Flächen genutzt werden können und wo bestehende soziale sowie ökologische Projekte für Familien und Kinder nicht gefährdet sind. Auf keinen Fall wollen wir 11-geschossige Hochhäuser, wie sie jetzt beispielsweise unsere Kirche umzingeln. 5000 oder 6000 Bewohner mehr wären eine große Gefahr für die vorhandenen Ökotope.

… aber sie könnten eine Bereicherung für das evangelische Leben hier sein: Zusätzliche Einnahmen von Kirchenmitgliedern könnten die Verbreitung des Glaubens sichern, das Gemeindeleben bereichern, mehr Diakonie und Seelsorge möglich machen.
Das setzt aber voraus, dass ein nennenswerter Teil der Zuziehenden Mitglieder der Evangelischen Kirche ist. Das wissen wir nicht. Die Frage wird sein, wieviel mehr Gemeindeglieder die Gemeinde tatsächlich noch aufnehmen kann. Wir sind mit hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht eben reich gesegnet. Umso dankbarer sind wir denen, die sich aktiv in der Gemeinde engagieren – auch im Widerstand gegen ein Übermaß an zusätzlicher Wohnbebauung.

Nun könnte man ihnen vorwerfen, dass Bürger, die in Buch in schicken Eigenheimen leben, sich hinter ökologischen Gesichtspunkten verstecken, um unter sich zu bleiben.
Ein schräger Vorwurf, der mit der Wirklichkeit von Buch wenig zu tun hat. Hier sind nicht vorrangig Eigenheime zu bewundern, sondern Plattenbauten und teils fragwürdige Mehrgeschossbauten, welche das hochverdichtete Ortsbild dominieren. Hinzu kommt, dass hier drei große Flüchtlingsunterkünfte integriert werden, ein Obdachlosen-Asyl für 300 Männer, mehrere Einrichtungen für Kinder, deren Kindeswohl gefährdet ist und natürlich die Krankenhaus- und Forschungseinrichtungen, für die Buch bekannt ist.