Berlin: Ausstellung zum Umgang mit dem Tod

Die Ausstellung „un_endlich. Leben mit dem Tod“ im Berliner Humboldt Forum beschäftigt sich mit dem endlichen Dasein und dem gesellschaftlichen Umgang mit dem Tod.

Auf ergonomisch geformten Sterbebetten können Besucherinnen und Besucher Platz nehmen und Fragen zu Leben und Tod beantworten
Auf ergonomisch geformten Sterbebetten können Besucherinnen und Besucher Platz nehmen und Fragen zu Leben und Tod beantwortenAlexander Schippel

Der Tod kommt im Humboldt Forum in Beige und – bis auf einen Schockeffekt – angenehm nüchtern daher. Der Schweizer Kurator Detlef Vögeli hat die neue Sonderausstellung, die bis zum 26. November läuft, ähnlich einem Theaterstück in fünf Akten entworfen. Mit Unterstützung eines britischen Bühnenbildners und eines Architekten entstanden Räume wie sorgfältig komponierte Arenen.

Die Ausstellung beginnt mit einer filmischen Einführung und der Vermittlung von Sachwissen: Das Universum existiert nach wissenschaftlichen Berechnungen seit 13,8 Milliarden Jahren, die Erde entstand vor 4,6 Milliarden Jahren, und der Homo sapiens tummelt sich seit 300 000 Jahren auf dem Planeten. Dass der Mensch mit der Zerstörung des Ökosystems Erde an seiner Selbstauslöschung arbeitet und das Artensterben verantwortet – davon wird im Schlussakt der Ausstellung die Rede sein: in dem versponnen-meditativen „Kosmos Biosphäre“ und einer „Spirale des Aussterbens“ mit Präparaten bedrohter oder bereits von der Erde getilgter Lebewesen.

Erfahrungen aus der Sterbebegleitung

Politische Fragen sind aber erst einmal zweitrangig. Besucher*innen lernen im ersten Akt in den sieben „Vorstellungsräumen des Todes“ religiöse und wissenschaftliche Haltungen zur Vergänglichkeit des Menschen und zum Jenseits kennen. In den von beigefarbenen Vorhängen abgetrennten Nischen äußern sich Vertreter*innen verschiedener Glaubensgemeinschaften wie die Berliner Pfarrerin Jasmin El-Manhy und Esther Hirsch, Kantorin in der Synagoge Sukkat Schalom, oder der Kriminalbiologe Mark Benecke in Audiobeiträgen.

Im nächsten szenischen Akt fühlt man sich in einen Science-Fiction-Film versetzt: Durchsichtige Stoffbahnen fallen von der Decke in den Raum und trennen Kabinen mit ergonomisch geformten „Sterbebetten“ ab, an denen Kopfhörer mit Mikro befestigt sind. Auf der harten weißen Liege ausgestreckt, die Augen geschlossen, lässt man sich von einer Frauenstimme befragen: Gibt es einen guten Tod? Glaubst du an ein Leben nach dem Tod? Hast du Angst vorm Sterben? Als Antwort gilt nur das leise gemurmelte Ja oder Nein.

Umfangreicher äußern sich ein Dutzend Menschen in der Video­installation „Konferenz des Sterbens“. Sie leben unter anderem in Kolumbien, Ghana, Indien, Kanada oder Jamaika und teilen in einer Sinfonie der Stimmen ihre Erfahrungen aus der Sterbebegleitung. Sie sprechen über kulturelle und ­religiöse Rituale, letzte Wünsche und ihre Empfindungen am Sterbebett eines Menschen.

Verlorene Leben

Nichts für Sensible ist hingegen der dritte Akt der Ausstellung über die letzte Sterbephase: Vor mehreren schwarzen Kabinen warten Besucher, bis sie ein strahlend weißes Licht zum Eintreten auffordert. In dem Raum erfährt man, was in den finalen Momenten in Körper und Gehirn abläuft. Neurologische Details werden mit Licht und Ton dramaturgisch gestaltet. Das Booklet zur Ausstellung weist fürsorglich darauf hin, dass sich diese Installation räumlich umgehen lässt.

Der vierte Akt widmet sich dem würdevollen Umgang mit den Toten. In einer „Leichenhalle“ werden Utensilien für deren Versorgung und rituelle Totenwaschungen in einer Videoprojektion gezeigt, ebenso Totengewänder aus verschiedenen kulturellen Kontexten.

Ausschnitte aus dem Film „Nr. 387 – Ertrunken im Mittelmeer“ dokumentieren die Arbeit der Rechtsmedizinerin Cristina Cattaneo in Mailand. Sie versucht, mit ihrem Team Menschen zu identifizieren, die im April 2015 bei der Flucht über das Mittelmeer ertranken. Damit diese in Würde bestattet werden können.

Viel Trauer, wenig Trost

Auch Infografiken, aufbereitet wie Röntgenbilder, zeigen im Nebenraum glasklar, dass im Tod nicht alle gleich sind: Die soziale und geografische Herkunft be­einflusst die Lebenschancen. Viel Trauer, wenig Trost in einer überaus sehenswerten Ausstellung.

un_endlich. Leben mit dem Tod.
Sonderausstellung bis zum 26. November, täglich außer dienstags von 10–18.30 Uhr.
Eintritt 12 Euro, ermäßigt 6 Euro. Humboldt Forum Berlin, Schloßplatz, 10178 Berlin, Informationen und Tickets unter Humboldtforum.org. Jeden ersten Sonntag im Monat freier Eintritt beim Berliner Museumssonntag.