Die Bundesregierung plant laut Zeitungsberichten direkte Gespräche über Abschiebungen mit den radikalislamischen Taliban in Afghanistan. Beamte des Ministeriums würden im Oktober in die afghanische Hauptstadt Kabul reisen, um mit der international nicht anerkannten Taliban-Regierung über Abschiebungen zu verhandeln, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums der „Bild am Sonntag“. Straf- und Gewalttäter sollen demnach künftig mit Linien- statt per Sonderflügen nach Afghanistan gebracht werden.
Für die SPD signalisierte unter anderem der Parlamentsgeschäftsführer der Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, in der „Rheinischen Post“ (Sonntag) Zustimmung: „Es ist richtig, dass es nach Afghanistan Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern gibt.“ Zugleich machte der SPD-Politiker deutlich: „Die bisherigen Kontakte über Katar kann man mit den entsprechenden Stellen in Afghanistan intensivieren, ohne dabei offizielle diplomatische Beziehungen mit den Taliban aufzunehmen.“
Deutliche Kritik kam von der Linken-Fraktion. In der „Welt“ (Sonntag Online) kritisierte die außenpolitische Sprecherin, Cansu Özdemir, Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hätten sich „in einen Überbietungswettbewerb mit der gesichert rechtsextremen AfD über Abschiebezahlen“ begeben. Die Fraktionsvize Clara Bünger, bemängelte, Ziel der Verhandlungen sei offenbar nicht eine Verbesserung der Lage in Afghanistan, sondern lediglich Abschiebungen „in ein Land, in dem Folter, öffentliche Hinrichtungen und Auspeitschungen an der Tagesordnung sind“. Statt die Stimmen der afghanischen Zivilgesellschaft und von Frauenrechtlerinnen zu stärken, werde das Taliban-Regime legitimiert. Bünger warf der Bundesregierung aus Union und SPD vor: „Wer solche Deals macht, macht sich mitschuldig.“
Die Taliban haben seit ihrer Machtübernahme 2021 vor allem die Rechte von Frauen und Mädchen massiv beschnitten. Zudem herrscht in dem Land eine der größten humanitären Krisen weltweit. Bei einer Bevölkerung von rund 46 Millionen liegt der Anteil der Menschen, die in Armut leben, laut Weltbank bei rund 50 Prozent. Andere Berechnungen ergeben noch höhere Anteile.