Positionspapier: Kirchen müssen rund 40.000 Immobilien aufgeben

Immer weniger Menschen sind Mitglieder der beiden großen Kirchen. Das hat Folgen für den Gebäudebestand – auch Kirchen droht der Abriss.

Im Februar 2023 ist der Turm der Kirche St. Hedwig in Wehrden (Saarland) abgerissen worden
Im Februar 2023 ist der Turm der Kirche St. Hedwig in Wehrden (Saarland) abgerissen wordenImago / Becker-Bredel

Die beiden großen Kirchen in Deutschland müssen sich laut einem gemeinsamen Positionspapier in den kommenden 40 Jahren jeweils von etwa einem Drittel ihrer Gebäude trennen. Die evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümer werden laut der Schrift „Kirchliche Baudenkmale – Kulturelles Erbe auf einem steinigen Weg in die Zukunft“ bis 2060 insgesamt rund 40.000 Immobilien verlieren, wie der evangelische Oberlandeskirchenrat Adalbert Schmidt und der Justiziar des katholischen Erzbistums Hamburg, Karl Schmiemann, in dem Papier schreiben.

Hintergrund ist demnach der kontinuierliche Schwund der Kirchenmitglieder und der verfügbaren Finanzmittel. Vornehmlich seien Pfarr- und Gemeindehäuser betroffen, aber zunehmend auch Kirchen. Diese stünden zum großen Teil unter Denkmalschutz. Die Autoren regen deshalb eine Vereinbarung mit den Denkmalschutzbehörden an, um zu Lösungen bezüglich der Nachnutzungen zu kommen. Zuerst hatte die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ (HAZ, Dienstag) darüber berichtet.

Eine „Herkulesaufgabe“

Das 15-seitige Positionspapier ist jüngst in der Zeitschrift „Kirche & Recht“ erschienen. Schmidt ist zugleich Vorsitzender der Baurechts- und Grundstückskommission der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Schmiemann ist Vorsitzender der Rechtskommission des katholischen Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD).

Die Preisgabe einer großen Zahl von Kirchen stelle „die staatliche und kirchliche Denkmalpflege in den kommenden Jahren vor eine Herkulesaufgabe“, schrieben Schmidt und Schmiemann. Von den 42.500 Sakralbauten beider großen Konfessionen stünden rund 80 Prozent unter dem Schutz des Denkmalrechts. Nach Ansicht der beiden Juristen muss ein in ganz Deutschland geltendes Verfahren entwickelt werden, damit die Denkmalschutzbehörden der Länder und die Kirchen auf Augenhöhe über eine neue Nutzung von Sakralbauten verhandeln könnten.

Denkmalschutz kompromissbereit

Konsense und Kompromisse könnten für eine zügige Umsetzung sorgen, heißt es in dem Papier. Dadurch könnten lähmender Streit und überlange Verwaltungsprozeduren vermieden werden. Auf diese Weise kämen alle Beteiligten „vor die Welle von Leerstand, Schließung und Verfall“. Beim Scheitern solcher Kompromisswege drohe aber kein massenhafter Abriss von Kirchen, wie die HAZ geschlussfolgert habe, betonte eine Kirchensprecherin. Ein Abriss nach einer sehr langen Zeit des Verfalls sei nur der schlimmste, selten eintretende Fall.

Der Denkmalschutz zeigt sich dem Zeitungsbericht zufolge kompromissbereit. Die Landesämter der Denkmalpflege hätten großes Interesse an einer frühzeitigen Zusammenarbeit, sagte Christina Krafczyk, Präsidentin des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege, der Zeitung.