Bekenntnis zur Erinnerungsarbeit und Stärkung der Gedenkstätten

Ein Bekenntnis zur Erinnerungsarbeit und zum Ausbau der NS-Gedenkstätten haben Politikerinnen und Verantwortliche bei der Gedenkfeier zum 79. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau abgegeben. Weil Angriffe auf die Demokratie gegenwärtig „nur allzu präsent“ seien, müssten junge Menschen stark gemacht werden „gegen solche Irrwege und solchen Hass“, sagte die bayerische Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) am Sonntag bei dem Gedenkakt in der KZ-Gedenkstätte laut Redemanuskript. Alle Jugendlichen sollten laut Koalitionsvertrag „mindestens einmal“ eine Gedenkstätte besuchen. Sie wolle die Zuschüsse für diese Fahrten künftig verdoppeln, so die Ministerin, die auch Vorsitzende der Stiftung Bayerische Gedenkstätten ist. Zudem stellten Bund und Freistaat 35 Millionen Euro für die Neugestaltung und Aktualisierung der KZ-Gedenkstätte Dachau zur Verfügung.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erinnerte an seinen Vater und seinen Großvater, die beide in Dachau interniert waren. „Sie hatten mehr Glück als so viele andere. Sie konnten Deutschland in Richtung Palästina verlassen, 1938.“ Schon als kleiner Junge habe er an Gedenkveranstaltungen wie dieser teilgenommen. „Ich habe diese Besuche nicht wahnsinnig gemocht. Aber ich habe gespürt, was es für meinen Vater und meinen Großvater bedeutet hat, hier zu sein. Mit der Zeit habe ich verstanden, warum sie wollten, dass ich dabei bin und ich bin ihnen dankbar, dass sie mich mitgenommen haben.“

Er frage sich, sagte Schuster, was die beiden dazu sagen würden, dass die Verherrlichung von Terror gegen Juden, dass Schoa-Relativierungen und antisemitische Hetze auf deutschen Straßen in gewissen Bereichen fast schon Alltag seien. „Was würden Sie dazu sagen, dass sich jüdische Studenten an Hochschulen nicht mehr sicher fühlen?“ Er sei sich aber sicher, dass sie nicht den Glauben verlieren würden. „Es ist dieser stoische Glaube an eine bessere Zukunft und ein friedliches Miteinander, der ausgerechnet diese Menschen auszeichnet, die das Schlimmste erlebt haben, was man sich vorstellen kann.“

Die Gedenkstätten sind für Schuster „die tragenden Pfeiler der Bildung zu NS-Unrecht“. Die Berührung mit Ihnen, selbstverständlich pädagogisch angepasst, könne kaum früh genug beginnen. Ein Gedenkstättenbesuch allein in der Schulzeit reiche nicht. Die Besuche müssten gut vor- und nachbereitet werden, am besten seien mehrtägige Seminare oder wiederkehrende Besuche in verschiedenen Altersstufen.

Den Erhalt und modernen Ausbau von „steinernen Zeugen“ wie der Gedenkstätte Dachau forderte Maria Bering, Leiterin der Abteilung Erinnerungskultur bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne). Die Erinnerung an die NS-Verbrechen wachzuhalten, bliebe man „allen Menschen schuldig, die von den Nationalsozialisten ihrer Rechte, ihrer Würde, ihrer Heimat und millionenfach auch ihres Lebens beraubt wurden“, so Bering. Zudem werde in den Gedenkstätten den Schlüsselfragen nachgegangen: „Wie kommt es zur Ausgrenzung Andersdenkender? Welches sind die Schritte von einer Demokratie zur Diktatur und Gewaltherrschaft?“

Das neue Förderprogramm „Jugend erinnert“ ermögliche jungen Menschen, sich im Rahmen eines Projekts mit einem bestimmten Aspekt der NS-Geschichte zu befassen. Man sei sich mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland einig, dass bei dem Programm „ein Akzent auf der Ansprache von jungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte liegen soll“, sagte Bering. Parallel dazu sollten die KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg mit Finanzmitteln des Programms „KulturInvest“ zu „modernen Lern- und Ausstellungszentren“ ausgebaut werden.

Dominique Boueilh, Präsident des Internationalen Dachau Komitees (CID), warnte laut Redemanuskript vor Angriffen auf die Erinnerungskultur: „Angriffe, die den Nutzen unserer Arbeit infrage stellen und die uns zur Verfügung stehenden Mittel reduzieren wollen.“ Nicht sei alarmierender, als von den letzten Überlebenden der Deportation die Sorge zu hören, dass die Welt wieder bedrohlich werde und die Lektionen der Vergangenheit vergisst. Zu Recht beschäftigten sich die Gedenkstätten mit der notwendigen Umgestaltung der Erinnerungspolitik: „Wie können wir die Nachkommen und Zeitzeugen stärker einbeziehen? Wie kann man die Öffentlichkeit stärker erreichen und sensibilisieren? Wie können wir uns stärker in das politische Feld einbringen, da unsere Werte bedroht sind?“

Die Nationalsozialisten hatten bereits im März 1933 die ersten Gefangenen ins Konzentrationslager Dachau verschleppt. Insgesamt waren dort bis 1945 rund 200.000 Menschen interniert. Etwa 41.500 davon starben durch Ermordung, Schikanen, medizinische Experimente, Krankheiten und Hunger. Am 29. April 1945 wurde das Lager von Einheiten der US-Armee befreit. Die Gedenkfeier zum 79. Befreiungstag wurde vom CID, der KZ-Gedenkstätte Dachau und der Stiftung Bayerische Gedenkstätten veranstaltet. Zu den Ehrengästen zählten auch KZ-Dachau-Überlebende und ehemalige Befreier.(00/1408/05.05.2024)