Begegnungen im Schloss Gottorf

Frauenleben heute und früher, hier und anderswo: Unter diesem Motto stehen die wöchentlichen Begegnungen für Frauen mit und ohne Migrationshintergrund im Schloss Gottorf.

Regelmäßig am Freitag laden Nicole Gifhorn (l.) und Lubna Kalleh zu Begegnungen für Frauen ein
Regelmäßig am Freitag laden Nicole Gifhorn (l.) und Lubna Kalleh zu Begegnungen für Frauen einStiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen

Schleswig. Blinde mit einer Augenbinde, eine Witwe, die Kinder mit angstvoll fragenden, ratlosen Augen in blassen Gesichtern umarmt. An diesem Freitag versammelt sich die Gruppe des Projekts „Frauenleben“ in der Stiftung Horn im Schloss Gottorf in Schleswig vor dem Plakat „Die Überlebenden“ von Käthe Kollwitz. Ihre Druckgrafiken und Plastiken bilden auf mitfühlende Weise menschliches Leid ab, fangen Schmerz und Not von Armen und Verwundeten in einem von Kriegen zerrissenen Land ein.

Es ist eine Kunst, die berührt und die Gespräche in Gang bringt – zumal bei einer Gruppe mit ganz unterschiedlichen Biografien wie dieser. Lubnah Kalleh findet in den Bildern eigene schmerzvolle Geschichte wieder: Die Syrerin kam vor sechs Jahren nach Deutschland, erlebte den Krieg und seine Folgen in ihrem Heimatland mit. Bei Birte Nissen-Reimer stellt sich die Frage nach dem Lauf der Geschichte. „100 Jahre später befinden wir uns in vielen Teilen der Welt in derselben Situation. Es muss doch einmal ein Ende haben“. Damit stößt sie eine kurze Diskussion über Waffenlieferungen und die Ausrichtung deutscher Außenpolitik an.

Wie Integration gelingen kann

Die Begegnungen stehen also stets unter einem Thema, das sich die Frauen selbst aussuchen, kreisen um die Fragen, was Frauen früher bewegt hat und heute bewegt, wie Integration gelingen kann und welche Möglichkeiten sie haben. Gestartet wurde das vom Innenministerium geförderte Angebot von Projektkoordinatorin Nicole Gifhorn und ihrer Kollegin Lubna Kalleh erstmals 2019. Dann kam Corona, seit Anfang des Jahres finden die Treffen nun wieder regelmäßig am Freitag und einmal im Monat auch in hybridem Format statt. Hier können sich die Teilnehmerinnen sowohl auf Schloss Gottorf und gleichzeitig auch digital begegnen. Das schafft die Möglichkeit, sich auch über den Kontakt vor Ort hinaus für Frauen aus verschiedenen Ländern zu öffnen, die sich über Zoom hinzuschalten. Die Idee: „Die Frauen präsentieren ein Lieblingsobjekt aus ihrer Heimat oder ein Thema, das sie beschäftigt, kommen darüber ins Gespräch und tauschen sich über Alltagskulturen aus“, sagt Nicole Gifhorn. So ging es bereits um die Beschneidung von Frauen im Sudan­ oder darum, wie Frauen heute in Afghanistan leben.

Syrien, Irak, Jemen, Sudan, Jordanien, Palästina und Deutschland – aus diesen Ländern kommen die Teilnehmerinnen bislang. In Kürze startet ein Projekt im Projekt: Dann bilden Nicole Gifhorn, die für das Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein tätig ist, ihre Arbeitsstelle im Schloss Gottorf hat und aus diesem Grund globale Zusammenhänge und Fragen der Nachhaltigkeit in die Diskussionen einbringt, und Lubna Kalleh Museumsguides mit Migrationshintergrund aus. „Wir haben dafür Teilnehmerinnen und einen Teilnehmer gewinnen können, die ihre Kenntnisse im Museum einbringen und sich als Botschafter zwischen den Kulturen und für mehr globale Gerechtigkeit engagieren wollen“, erzählt Gifhorn.

Besuch im Bibelzentrum

Auch für kommende Freitagsbegegnungen gibt es bereits Ideen: So ist ein Besuch im Schleswiger Bibelzentrum geplant, zwei Frauen aus Ghana und Marokko wollen über das Leben von arabischen Frauen in Deutschland berichten. Birte Nissen-Reimer besucht die Veranstaltungen regelmäßig. „Die Treffen erweitern den Horizont, ermöglichen einen interessanten Austausch mit ganz unterschiedlichen Frauen.“ Zahraa Alhardan betont: „Der Vergleich zwischen der deutschen und unserer arabischen Kultur ist sehr interessant.“ Nicole Gifhorn fügt hinzu: „Die Frauen vertreten teilweise unterschiedliche Werte, beispielsweise im Hinblick auf Heirat und Arbeit. Durch den behutsamen Austausch in der anregenden Umgebung eines Museums jedoch entstehen Respekt und Wertschätzung dafür, wie Frauen auf dieselben Fragen unterschiedliche Antworten finden. Es berührt mich zu sehen, wie Lernen und Begegnung im Museum so viel Verbundenheit zwischen Menschen schaffen kann.“

Info
Die Begegnungen finden jeweils freitags von 10 bis 12 Uhr statt. Anmeldung und weitere Informationen bei Lubna Kalleh unter lubna.kalleh@landesmuseen.sh und Nicole Gifhorn unter nicole.gifhorn@landesmuseen.sh oder unter Telefon 04621/81 31 60. Die Veranstaltungen sind kostenfrei.