Barmer: Pflegebedürftigkeit dauert länger und wird immer teurer

Berechnungen der Barmer legen nahe, dass Menschen immer länger pflegebedürftig sind und immer mehr Leistungen der Pflegekasse in Anspruch nehmen. Das ist bei leeren Kassen ein weiteres Warnsignal an die Politik.

Wer pflegebedürftig ist, ist das immer länger und nimmt folglich mehr Leistungen in Anspruch. In den kommenden Jahren werde sich die durchschnittliche Pflegedauer nahezu verdoppeln, teilte die Barmer Ersatzkasse am Montag bei der Vorstellung ihres Pflegereports mit. Dadurch erhöhten sich die Ausgaben pro pflegebedürftiger Person im Schnitt um 50 Prozent. Vor dem Hintergrund leerer Pflegekassen werden angesichts dieser Schätzrechnung die Rufe nach einer umgehenden Reform der Pflegeversicherung immer lauter.

“Die Soziale Pflegeversicherung überschreitet bereits jetzt ihre finanzielle Belastungsgrenze. Die Bundesregierung darf die Millionen Pflegebedürftigen und deren Angehörige nicht im Stich lassen und muss endlich für finanzielle Entlastung sorgen”, forderte Barmer-Vorstand Christoph Straub. So müsse die Pflegeversicherung umgehen von versicherungsfremden Leistungen befreit werden. Insbesondere die Zusatzkosten während der Corona-Pandemie müssten erstattet werden.

Bei jüngst gestorbenen Pflegebedürftigen lag die Pflegedauer bei 3,9 Jahren, die Leistungen der Pflegekasse im Schnitt bei 50.000 Euro. Bei aktuell Pflegebedürftigen wird sich die Pflegedauer nach Barmer-Berechnungen auf 7,5 Jahren nahezu verdoppeln und die Kosten werden auf rund 76.000 Euro ansteigen.

Darüber hinaus erwartet die Barmer einen weiteren Anstieg der Eigenanteile Betroffener bei der stationären Pflege. Dies liege insbesondere an den gestiegenen Löhnen der Pflegekräfte. In der Altenpflege seien sie in den Jahren 2015 bis 2023 um 59 Prozent bei Hilfskräften und um 53 Prozent bei Fachkräften gestiegen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht zur kurzfristigen finanziellen Absicherung der Pflegeversicherung eine weitere Beitragserhöhung ab Januar 2025 um 0,2 Prozentpunkte vor. Das würde den Pflegekassen 3,7 Milliarden Euro im Jahr bringen. Diese Erhöhung per Rechtsverordnung muss aber noch zur Kenntnisnahme durch Bundestag und Bundesrat, was angesichts der ständig veränderten Tagesordnungen vor der Neuwahl im Februar schwierig werden könnte.

Aus Sicht der Stiftung Patientenschutz ist Lauterbachs Lösung ein schlechter Notnagel. Eine Erhöhung der Beiträge reiche vorne und hinten nicht und belaste nur die Arbeitnehmer. Es brauche eine zukunftsfähige Finanzierung mit festgelegtem und planbarem Eigenanteil und eine solide Gegenfinanzierung durch Steuermittel. Auch die Diakonie dringt auf Reformen. Der Verband setzt sich für eine Pflegevollversicherung mit kalkulierbarem Eigenanteil ein.

Der Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland mahnte zudem eindringlich, die geplanten Gesetzesvorhaben in der Pflege noch umzusetzen. Dazu zählen das Pflegekompetenzgesetz, das Pflegekräften mehr Entscheidungshoheit gibt, und das Pflegefachassistenzgesetz. Letzteres soll die oft als “Flickenteppich” bezeichnete Ausbildung zur Assistenzkraft in der Pflege bundesweit einheitlich gestalten.

“Die Pflege steht unter großem Druck. Es wäre fatal, die wichtigen Gesetze auf die nächste Legislaturperiode mit ungewissen Mehrheiten zu verschieben”, betonte die Verbandsvorsitzende Barbara Dietrich-Schleicher. Die Pflege dürfe den politischen Machtkämpfen nicht zum Opfer fallen.