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Bandenkrieg gegen Haitis Bevölkerung – Auch Schulen unter Beschuss

In dem bettelarmen Karibikstaat Haiti nehmen Angriffe von Kriminellen auf die Zivilbevölkerung zu. Die gefürchteten Banden verwenden dabei auch geschmuggelte Waffen aus den USA. Der Polizei sind sie damit weit überlegen.

Die Brutalität, mit der bewaffnete Banden die Bevölkerung in Haiti terrorisieren, erreicht inzwischen eine neue Dimension. Nachdem die Gangs in der Vergangenheit bereits zahlreiche Krankenhäuser angegriffen haben, sind inzwischen Schulen und Bildungseinrichtungen das erklärte Ziel der Kriminellen. “Die unerbittlichen Angriffe auf die Bildung nehmen zu, sodass Hunderttausende Kinder keinen Platz zum Lernen haben”, sagte Unicef-Vertreterin Geeta Narayan jüngst bei einer Pressekonferenz in Genf.

Allein im Januar zerstörten Banden demnach 47 Schulen in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince. Zusätzlich zu den 284 Schulen, die bereits im Jahr 2024 der Anarchie der Banden zum Opfer fielen. Entsprechend düster beurteilt Pater Jean Gardy Maisonneuve, der Direktor der Nichtregierungsorganisation “Sant Karl Lévêque”, die Lage: “Die derzeitige Situation in Haiti ist katastrophal”, sagte der Jesuit der haitianischen Tageszeitung “Le Nouvelliste”.

Inmitten dieser Gemengelage meldeten die Behörden in der benachbarten Dominikanischen Republik in dieser Woche die Beschlagnahmung von 36.000 Patronen, 23 Schusswaffen und etwa 20 Magazinen als Teil einer für Haiti bestimmten Lieferung aus Miami. Die Zollbehörden in der Hauptstadt Santo Domingo wiesen darauf hin, dass sie erst vor kurzem 37 Waffen am selben Hafen beschlagnahmt hatten. Viel deutet darauf hin, dass immer mehr Waffen aus den USA illegal nach Haiti geschmuggelt werden und dann in den Händen der zahlreichen Banden landen, die das Land terrorisieren.

Das in der Dominikanischen Republik beheimatete “Institut Duartiano” äußerte sich besorgt über die Beschlagnahme der großkalibrigen Schusswaffen und Munition. Institutsdirektor Wilson Gomez Ramirez fordert eine gründliche Untersuchung, um die Verantwortlichen zu ermitteln und Sanktionen zu verhängen: “Dies ist alarmierend und unterstreicht die ernsthafte Bedrohung unseres Territoriums durch die bewaffneten Gruppen, die in Haiti operieren”, sagte Gomez Ramirez.

Weil wegen der wachsenden Gewalt immer mehr Menschen aus Haiti ins Nachbarland fliehen, errichtet die Dominikanische Republik inzwischen eine Art Grenzmauer. Zudem organisiert die Regierung in Santo Domingo trotz der unsicheren Lage in Haiti Massenabschiebungen von Geflüchteten. Darunter sind auch schwangere Frauen und Kinder, obwohl Frauen und Mädchen vielfach Opfer sexueller Gewalt durch die Banden werden.

Waffen aus den USA sind auch nach Einschätzung der Regierung in Mexiko der Grund für die wachsende Macht der dortigen Drogenkartelle, die wiederum im Fadenkreuz der US-Regierung unter Präsident Donald Trump steht. Jüngst verklagte Mexiko acht in den USA sehr einflussreiche Waffenproduzenten, darunter prominente Namen wie Smith & Wesson und Colt. Mexiko argumentiert, der illegale Waffenschmuggel aus den USA trage entscheidend dazu bei, dass das Land bei der Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit Schusswaffen weltweit auf dem dritten Platz liege.

Die milliardenschweren Drogenkartelle decken sich mit Hightech-Waffen aus den USA ein und sind den mexikanischen Sicherheitskräften damit deutlich überlegen. Ähnliches gilt für Haiti: Von der schlecht ausgestatteten und unterbezahlten Polizei haben die schwer aufgerüsteten Banden in Haiti wenig zu befürchten. Aus den beiden von der Gewalt erschütterten Ländern gibt es überdies anhaltende Migrationsbewegungen in die USA. Während die Vereinigten Staaten ihre Grenze gegen illegale Migration verstärkt sichern, ist das US-amerikanische Engagement bei der Eindämmung des Waffenschmuggels in die umgekehrte Richtung offenbar deutlich schwächer.