Der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl hat gegen Frauke Brosius-Gersdorf nachgelegt, den Vorwurf der Hetze aber zurückgewiesen. Hubertus Heil und Wolfgang Thierse (beide SPD) fordern zugleich sachlichere Diskussionen.
Der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl würde es begrüßen, wenn Frauke Brosius-Gersdorf auf das Amt als Verfassungsrichterin verzichten würde. “Mir wäre das am liebsten, natürlich”, sagte Gössl im Interview zu Welt TV (Dienstag). Brosius-Gersdorfs Position sei völlig konträr zu der der katholischen Kirche. “Es gibt keine Abstufung des Lebensrechts”, so der Geistliche. “Von daher sehe ich da auch wenig Kompromissmöglichkeit.”
Zugleich hält er es nach eigenem Bekunden für wichtig, öffentlich über das Thema zu streiten. So sei es ja auch zuletzt bei der Debatte um die Streichung des Abtreibungs-Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch geschehen.
Gössl wehrte sich in dem Interview gegen Vorwürfe des SPD-Fraktionsvorsitzenden Matthias Miersch, der dem Erzbischof vorgeworfen hatte, in seiner Predigt am Sonntag gegen die Juristin gehetzt zu haben: “Es geht mir und den anderen sicher auch nicht darum, in irgendeiner Weise zu hetzen, schon gar nicht gegen eine Person.” Deshalb habe er Brosius-Gersdorf auch nicht namentlich erwähnt.
Der ehemalige Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bot mit Blick auf die Personalie Brosius-Gersdorf einen Dialog zwischen Politik und Kirche an. Die Demokratie brauche den vernünftigen Dialog über ethische Verantwortung und rechtliche Gestaltung auch zwischen politischen Verantwortungsträgern und den Kirchen”, sagte Heil am Dienstag in Berlin. Als Kirchenbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion biete er diesen Dialog an – “auf Augenhöhe, mit gegenseitigem Respekt und im Bewusstsein der jeweiligen Verantwortung”. Heil ist seit Ende Juni religions- und kirchenpolitischer Sprecher seiner Fraktion.
Zugleich verteidigte er grundsätzlich das Recht der Kirchen, sich zu politischen Fragen zu äußern. Brosius-Gersdorf vertrete in ihren Arbeiten aber eine Position, die das Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des ungeborenen Lebens und den Grundrechten der schwangeren Frau klar benenne und verfassungsdogmatisch reflektiere. “Dies mag von einigen auf der kirchlichen Seite als kritisch empfunden werden – es ist aber im Rahmen einer pluralistischen und säkularen Rechtsordnung legitim und notwendig”, so Heil.
Er bedaure, dass die öffentliche Debatte in dieser Schärfe geführt werde. Es sei nicht zu leugnen, dass vor allem Rechtspopulisten versuchten, aus dieser Diskussion einen Kulturkampf zu machen, der die Gesellschaft spalte. Dabei schreckten einige auch nicht vor niederträchtigen Kampagnen zurück. “Alle sollten deshalb jetzt ihren Beitrag zu einer sachlichen Debatte leisten”, so Heil.
Auch der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) forderte eine sachlichere Diskussion. Seiner Partei riet er, “die Schärfe der Auseinandersetzung herunter zu dimmen und kritische Äußerungen nicht nur als Kampagne zu empfinden – selbst wenn es Hetze gegeben hat.”
Die öffentlichen Äußerungen kirchlicher Vertreter verteidigte Thierse: “Wenn man Stellungnahmen der Kirchen zu bestimmten Themen ausdrücklich wünscht, dann sollte man sie nicht beschimpfen, wenn einem Stellungnahmen zu anderen Themen nicht gefallen”, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). Dass Vertreter der katholischen Kirche ihre grundsätzlichen Überzeugungen zum Thema Menschenwürde des ungeborenen Lebens zum Ausdruck brächten, sollte man ihnen nicht übelnehmen.