Badischer Dialog: Migration wird Realität noch Jahrzehnte bestimmen

Zuwanderung ist nach Ansicht des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof keine Frage der Gruppenzugehörigkeit, sondern ein Individualrecht. „Wir dürfen die große Zahl von Asylbewerbern nicht als Flüchtlingsstrom begreifen“, betonte der Jurist am Dienstag in Freiburg beim „Badischen Dialog“.

Die Betroffenheit des Einzelnen stehe im Mittelpunkt des Asylverfahrens, somit die in Artikel eins des Grundgesetzes garantierte „Würde des Menschen“, stellte der Seniorprofessor der Universität Heidelberg klar. In der christlichen Moral gebiete es die Nächstenliebe, Verfolgte aufzunehmen und ihnen eine neue Heimat zu gewähren. Kirchen hätten bei der Bekämpfung von Fluchtursachen eine „einmalige“ Chance, sich für Frieden einzusetzen, so der Professor. Migration werde noch in den nächsten zehn, zwanzig Jahren die Realität beherrschen, prophezeite er.

Die Asylgründe sollten laut Kirchhof in der Nähe des Heimatlandes geprüft werden, nicht erst in Europa. Um alle Staaten der Europäischen Union in eine gemeinsame Asylpolitik einzubinden, schlägt er Subventionen vor. Umgekehrt sollte ein Land, das nicht an der EU-Asylpolitik teilnehme, vom europäischen Binnenmarkt ausgeschlossen werden. Zudem plädierte Kirchhof dafür, dass Asylbewerber von „Tag eins ihrer Ankunft“ eine Arbeitserlaubnis erhalten.

Der Badische Dialog ist eine Veranstaltung des Referats Kirche in Gesellschaft und Politik im Erzbischöflichen Seelsorgeamt der Erzdiözese Freiburg in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Baden und der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg. Er findet dieses Jahr zum zweiten Mal statt. (1360/18.06.2024)