Australien vor schwierigem Verfassungsreferendum

Am Samstag entscheidet Australien über ein ständiges indigenes Beratergremium fürs Parlament. Es geht um nicht weniger als die verfassungsmäßige Anerkennung der Ureinwohner. Doch das historische Referendum könnte scheitern.

Die simplen Antwortoptionen auf die Frage, ob in Australiens Verfassung eine „Indigene Stimme für das Parlament“ („Indigenous Voice to Parliament“) aufgenommen werden soll, lauten Ja oder Nein. Klar ist, dass dieses Gremium lediglich eine beratende Rolle haben wird und seine Entscheidungen für die Politik nicht bindend sind. Wie aber genau es zustande kommen, wie die Mitglieder bestimmt werden, soll erst von Regierung und Parlament nach dem Referendum geregelt werden, zu dem 17,5 Millionen Australier für Samstag (14. Oktober) aufgerufen sind.

Damit ist schon ein wesentlicher Grund für den prognostizierten Erfolg der Nein-Kampagne benannt. Die Australier sind in drei Lager gespalten, analysiert der Anwalt und Politologe Waleed Aly in einem Beitrag für News.com.au: jene Nein-Wähler, die die Geschichte des Landes hinter sich lassen oder ihr entfliehen wollten; jene Nein-Wähler wie Senatorin Lidia Thorpe, selbst Aboriginal, die die Legitimität des „Siedlerstaates“ gänzlich ablehnen; und die Ja-Wähler, die sich angesichts der jahrhundertelangen Unterdrückung der Ureinwohner durch die europäischen Einwanderer besser fühlen wollen.

Der größte Block der Nein-Sager ist die konservative und oppositionelle Liberale Partei, die sich seit jeher schwertut mit Rechten für die Ureinwohner. John Howard (84), Ex-Premierminister der Liberalen Partei und eine gewichtige Stimme im Nein-Lager, sagte kürzlich, die Kolonialisierung Australiens durch die Briten sei das Beste gewesen, was dem Kontinent passieren konnte.

Auf der anderen Seite liest sich eine auf Wikipedia veröffentlichte Liste der Unterstützer der Ja-Kampagne aufgrund der schieren Zahl von Befürwortern beeindruckend. Mit dabei sind so ziemlich alle Kirchen, kirchliche Institutionen und Religionen. „Die große Unterstützung der Religionen ist von signifikanter Bedeutung“, sagt John Lochowiak, Vorsitzender des „National Aboriginal and Torres Strait Islander Council“ (NATSICC), der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der Rat ist eine Stimme der Ureinwohner bei der Australischen Bischofskonferenz.

Die Bischöfe machen aus ihrer Sympathie für das Indigenen-Gremium, kurz „Voice“ genannt, keinen Hehl – ohne sich aber, wie bei Wahlen üblich, eindeutig auf eine Seite zu stellen. Bischof Charles Gauci von Darwin im Norden Australiens, betonte Anfang August: „Ich sage es ganz klar: Ich werde niemals versuchen, den Leuten zu sagen, wie sie abstimmen sollen.“ Ende August äußerte sich der Bischof der Diözese mit hohem Aboriginal-Anteil dann etwas eindeutiger: „1967 haben wir die Ureinwohner Australiens (in einem Referendum) als Staatsbürger anerkannt. Jetzt, 2023, haben wir die Möglichkeit, in einem Referendum über die verfassungsmäßige Anerkennung der Ureinwohner und der Torres-Strait-Insulaner durch eine ‚Stimme für das Parlament‘ abzustimmen.“

Politologe Aly sieht eine Mitverantwortung der „Ja“-Kampagne für das mögliche Scheitern des Referendums. Sie habe die „Voice“ als einen großen historischen Moment und nicht einfach als eine pragmatische Lösung zur Schließung der Kluft der Lebensstandards zwischen indigenen und nicht-indigenen Australiern dargestellt. Das berge die Gefahr, so Aly, dass sich eher jene angesprochen fühlten, „die die Kolonialisierung nicht nur als Geschichte, sondern als einen Schandfleck auf der Seele der Nation betrachten“.

Eine gewichtige Stimme in der Debatte um die „Voice“ ist der Jesuit und Anwalt Frank Brennan. Anfang September schrieb der langjährige Streiter für die Rechte der Ureinwohner im Jesuiten-Magazin „Eureka Street“: „Der Wortlaut (der Referendumsfrage) ist nicht perfekt“, so der Ordensmann. „Aber wir alle müssen jetzt die schwierige Entscheidung treffen: ‚Ja‘ zu einer unvollkommenen Verfassungsformel zu sagen oder ‚Nein‘, wodurch jede Form der verfassungsmäßigen Anerkennung der Ersten Australier für eine weitere Generation auf Eis liegen wird.“ Für Brennan ist klar: „Ich bin für ‚Ja'“.