Ausstellung seltener Bibeln im Kloster Lüne

Luther war nicht der Erste, der die Bibel in (eine) deutsche Sprache übersetzte, sagte ein Bibelforscher bei der Ausstellungseröffnung in Lüneburg.

Wolfgang Schellmann hat in der Lüneburger Ratsbücherei etliche vorreformatorische Bibel gefunden, die zurzeit im Kloster Lüne zu sehen sind
Wolfgang Schellmann hat in der Lüneburger Ratsbücherei etliche vorreformatorische Bibel gefunden, die zurzeit im Kloster Lüne zu sehen sindMichael Eberstein

Lüneburg. Für die Ausstellung ist Schellmann, der seit vier Jahrzehnten Bibeln erforscht – vor allem ihre drucktechnischen Techniken und Qualitäten –  , in der Lüneburger Ratsbücherei fündig geworden. Dort fanden sich bemerkenswert gut erhaltene Bibeln aus der Zeit zwischen 1350 und 1522, dem Jahr der berühmten Luther-Bibel, die gemeinhin als erste deutschsprachige gedruckte Bibel gilt.
„Das ist falsch und zugleich richtig“, erklärte Schellmann, der promovierte Maschinenbauer und Wirtschaftswissenschaftler. Mitte des 14. Jahrhunderts habe es schon Bibelübersetzungen gegeben, wenn auch zunächst handschriftliche. Doch vor der Lutherbibel erschienen auch schon 18 gedruckte mundartliche Bibelübersetzungen, davon vier in Niederdeutsch, die anderen in Oberdeutsch.

Psalm 23 macht den Unterschied deutlich

Welche Leistung Luthers Übersetzung bedeutet, machte Schellmann am Psalm 23 deutlich. „Was auch immer das heißen soll“, spottete der Forscher über den Text von 1466: „der Herr richt mich und mir gebrast nit: und an der stat der weyde do satzt er mich. Er fürtte mich ob dem wasser der widerbringung.“
Aber Schellmann ging in seinem Vortrag noch weiter zurück. Schon um 1000 Jahre zuvor, um 350, habe es eine Bibel in westgotischer Sprache gegeben. Als Übersetzer gelte der Stammesfürst Wulfila. Das Vaterunser klingt für heutige Ohren durchaus verständlich. Weitere frühe Bibelübersetzungen seien von Petrus Valdes (1180), einem Unbekannten (Österreich um 1330), John Wycliff (1370) und Jan Hus (1470) bekannt.
Dabei war das keineswegs ein ungefährliches Unterfangen, erklärte Schellmann. Die (katholische) Kirche habe – besorgt um ihre Macht – Übersetzungen in eine für das gemeine Volk verständliche Sprache untersagt. Und dies sogar durch Kaiser Karl gesetzlich verbriefen lassen, was diesen jedoch nicht davon abhielt, selbst eine Übersetzung für sich anfertigen zu lassen.

Der mediale Erfolg begann mit der Gutenberg-Bibel

Erst mit der Gutenberg-Bibel (1455) habe der mediale Erfolg begonnen. In für damalige Zeiten unvorstellbar großen Auflagen von mehreren tausend Exemplaren wurden etwa ab 1466 in Straßburg die Mentelin-Bibel  oder in Nürnberg und Augsburg die Bibel von Heinrich Eggestein gedruckt, der zuvor bei Mentelin gearbeitet hatte. Dabei seien auch gedruckte Bibeln sehr teuer gewesen; für die 1483 in der Koberger Druckerei in 1000 Exemplaren aufgelegten Bibel wurde der Gegenwert von vier fetten Ochsen verlangt.
Prägende Wirkung habe zum Beispiel die Kölner Bibel von 1478 gehabt. Ihre Bildsprache sei über zwei Jahrhunderte verwendet worden. Sie habe vor allem eine „vordergründige Unterhaltungsfunktion“ gehabt, ähnlich wie heute das Fernsehen, „neben Krimi und Liebesfilm auch das Wort zum Sonntag“. Künstlerische Vollendung erreichten die Bilder 1494 in der Lübecker Bibel, die „externe Charakterköpfe“ im Stile eines Dürers zeigten.

Heilige Schrift in niedersächsischer Sprache: ein verlegerischer Flop

Schellmann versteht es, trotz des Hinweises auf frühere Übersetzungen, Luthers Leistung herauszustellen. In Halberstadt etwa sei noch 1522, kurz vor der Luther-Bibel, von Lorenz Stuchs eine Heilige Schrift in niedersächsischer Sprache auf den Markt gebracht worden. Sie wurde, so Schellmann, „ein verlegerischer Flop“, wohl wegen ihrer vergleichsweise plumpen Sprache, aber auch, weil sie keine zeitgemäße Bildsprache verwendete.
Dagegen wurde Luthers „September-Testament“ – noch vor dem Auftritt des Reformators vor dem Reichstag zu Worms geschrieben und 1522 erschienen –  wohl wegen seiner Cranach-Illustrationen zum Erfolg. 4000 Exemplare wurden davon verkauft, „aber auch wegen Luthers bildreichen Sprache und dem literarischen Stabreim“, ist Schellmann überzeugt. Und ganz nebenbei habe Luther auch manche Fehleinschätzung ausgeräumt. Bis dato sei Mose wegen einer falschen Übersetzung in der Vulgata, der lateinischen Bibel von Hieronymus aus dem Jahr 382, mit Hörnern dargestellt worden.
INFO
Adresse: Kloster Lüne, Am Domänenhof, 21339 Lüneburg, Telefon: 04131/52318 www.kloster-luene.de