Ausstellung erinnert an „Vater und Sohn“-Erfinder Erich Ohser

Berühmt sind seine liebevollen Vater-und-Sohn-Bildergeschichten. Die Nationalsozialisten brachten Erich Ohser vor Gericht. Vor genau 80 Jahren nahm er sich in der Berliner Todeszelle das Leben.

Der Vater ist selbst noch Kind – ein Freund, Begleiter, Mahner – alles andere als strenge Autoritätsperson. Gutmütig begleitet der von Erich Ohser zwischen 1934 und 1937 gezeichnete Vater die Abenteuer seines pfiffigen Sohnes. Kauft Silvesterknaller und übernimmt die verhassten Schulhausaufgaben.

Die Popularität der fast ganz ohne Worte auskommenden Bildergeschichten ist bis heute ungebrochen. Die Auflagen liegen bei mehreren Hunderttausend, die Geschichten sind ein Klassiker im Deutschunterricht.

Der Schöpfer der Bildergeschichten aber ist nur wenig bekannt: Hinter dem Pseudonym E. O. Plauen steht der 1903 bei Plauen im sächsischen Vogtland geborene Karikaturist und Zeichner Erich Ohser. Das Ohser gewidmete Museum in seiner Heimatstadt erinnert rund um den 80. Todestag am 6. April mit einer Sonderausstellung an den Zeichner, Karikaturisten und Journalisten.

Schwerpunkt der Schau „Unter Druck“ ist Ohsers Arbeit für den Ullstein Verlag sowie für Berliner Zeitungen der 1930er und frühen 1940er Jahre. Bis zum 22. September ermöglichen Fotografien, Dokumente, Zeitungen sowie bislang kaum gezeigte Zeichnungen Einblicke in das Werk Ohsers – und in die Berliner Medienlandschaft zwischen bunter Vielfalt und nationalsozialistischer Gleichschaltung.

Nach dem Kunststudium in Leipzig machte sich Ohser im Berlin der 1920er Jahre rasch einen Namen: Er illustrierte die ersten Bücher seines Freundes Erich Kästner, arbeitete als Schnellzeichner in einem Variete und für den „Vorwärts“. So zeigte er in der SPD-Parteizeitung Goebbels und Hitler als lächerliche Witzfiguren.

Nach der Machtergreifung hatte dies Konsequenzen: Ohser erhielt Berufsverbot. Nur über Umwege bekam er eine neue Chance: Er gewann den Wettbewerb um eine neue Zeichenserie für die „Berliner Illustrirte“ – die Geburtsstunde von „Vater und Sohn“.

Die zutiefst menschlichen, dem Kind zugewandten Zeichnungen enthielten sich nun jedes Zeitbezugs und jeder politischen Stellungnahme. Ein stummes Zeugnis der inneren Emigration Ohsers? Absurd zugleich, dass die Nationalsozialisten die populären Figuren des geschmähten Zeichners für eigene Propagandazwecke einsetzten, etwa zu Spendenaufrufen für das Winterhilfswerk oder die NS-Organisation „Kraft durch Freude“.

Schon nach drei Jahren beendete Ohser die Erfolgsserie. Die letzte der rund 150 Bildergeschichten zeigte 1937 Vater und Sohn, die der Welt in Richtung Mond entfliehen.

Ohser selbst entfloh dem Zugriff des autoritären Regimes nicht. Trotz mehrerer Gelegenheiten entschied er sich gegen eine Emigration. Ohser versuchte, nach dem Ende der Vater-Sohn-Geschichten einen Kompromiss im Umgang mit dem Regime zu finden. Auch um sich und seine Familie finanziell über Wasser zu halten.

Ab Mai 1940 ließ er sich für die NS-Wochenschrift „Das Reich“ einspannen. Hier erschienen mehr als 800 seiner Zeichnungen, oft aggressive Karikaturen der deutschen Kriegsgegner, etwa Churchill als Betrüger oder Russland als aggressiver Wolf. Weit entfernt von der Freundlichkeit von Vater und Sohn sei Ohsers Virtuosität böse geworden, analysiert seine Biografin Elke Schulze.

Seine Familie evakuierte Ohser 1943 aus dem schwer bombardierten Berlin. Er selbst blieb und wurde von einem Gestapospitzel denunziert, weil er im Luftschutzbunker Hitler und Goebbels kritisierte. Der überlieferte Gestapo-Bericht hält fest, dass Ohser Goebbels beschuldigte, die Kunst in Deutschland zugrunde gerichtet zu haben. Täglich gebe es Hinrichtungen von Künstlern. „Ich merke es ja am Dünnerwerden meines Bekanntenkreises.“

Nur wenige Tage nach der Verhaftung kam es zum Schauprozess. Unter dem Vorsitz von Volksgerichtshofpräsident Roland Freisler fiel das Todesurteil gegen Ohsers mitangeklagten Freund, den Verleger Erich Knauf. Der Vater von „Vater und Sohn“ kam der Hinrichtung zuvor und nahm sich am Tag seiner Urteilsverkündung, am 6. April 1944, in Gestapohaft in Berlin-Moabit das Leben. Seine Familie hat er nach seiner Verhaftung nicht mehr gesehen. Im Abschiedsbrief an seine Frau dachte er bis zuletzt an den Sohn: „Mach‘ aus ihm einen Menschen; ich gehe mit glücklichem Lächeln.“