Ausstellung „Buchstäblich Luther“ in Wittenberg überrascht mit Fun Facts

„A wie Askese“, „H wie Hier stehe ich“, „J wie Judentum“: Das Augusteum in Wittenberg erzählt mit seiner neuen Ausstellung „Buchstäblich Luther“ alphabetisch vom Leben des Reformators.

Lutherdenkmal auf dem Marktplatz von Wittenberg
Lutherdenkmal auf dem Marktplatz von WittenbergImago/ Richard Wareham

Martin Luther war eine facettenreiche Persönlichkeit, wie die neue Sonderschau der Stiftung Luthergedenkstätten zeigt. Als „Best of Luther“ bezeichnet Thomas T. Müller, Direktor der Luther-Museen, die im Fürstensaal des Wittenberger Augusteums präsentierten 50 Exponate. Die Sonderschau ist der Ersatz für die nach zwanzigjähriger Präsentation abgebaute Dauerausstellung des Lutherhauses, das wegen Sanierungsarbeiten bis Anfang 2025 geschlossen bleibt.

Die neue Ausstellung weist gemäß den Buchstaben des Alphabets 26 Stationen auf. Zu jedem Buchstaben gibt es ein Stichwort. Eine charmante Idee, die aber ihre Tücken hat. Denn diese Gliederung bringt den Lebenslauf des Reformators völlig durcheinander. Bereits an der fünften Station – „E wie Erbe“ – sehen wir einen eisernen Griff seines Sarges sowie ein Gemälde, das den am 18. Februar 1546 in Eisleben an einem Herzinfarkt gestorbenen Luther darstellt. Vorbild dieses Gemäldes aus dem 17. Jahrhundert ist das von Lukas Furtenagel im Sterbehaus angefertigte Porträt. Es zeigt den entgegen der Behauptung seiner Gegner nicht etwa vom Teufel geholten, sondern friedlich entschlafenen Reformator.

Martin Luder wandelte seinen Nachnamen in „Luther“ um

Erst einige Stationen weiter geht es unter „L wie Luder“ um die Kindheit des am 10. November vermutlich des Jahres 1483 in Eisleben als Martin Luder geborenen und in Mansfeld aufgewachsenen Sohnes eines Bergbaubeamten. Bei archäologischen Grabungen wurden Kerne von aus dem Mittelmeerraum importierten Feigen entdeckt – ein Hinweis auf den Wohlstand der Familie Luder.  Martin Luder wandelte spätestens 1517 seinen Nachnamen in „Luther“ um.

 

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„A wie Askese“ wartet mit der schwarzen Kutte eines Augustinereremiten auf, die traditionell als „Lutherkutte“ bezeichnet wird. Askese bezieht sich darauf, dass Luther als Mönch strenge Gebets- und Fastenzeiten einzuhalten hatte. Es heißt, er war gerne Mönch und habe seine oftmals geflickte Kutte erst 1524 endgültig abgelegt. Also erst vier Jahre nach seinem Bruch mit der Papstkirche, den er mit der Verbrennung der Bannandrohungsbulle vollzog.

„W wie Wittenberg“ ist Luthers aus der Stadtkirche St. Marien stammende Predigtkanzel zugeordnet. Sie ist mit den farbig gefassten Reliefs der Evangelisten Matthäus und Johannes geschmückt. Der Universitätsprofessor Doktor Martin Luther war nämlich nebenberuflich Stadtprediger. An der Station „O wie Obrigkeit“ ist das Manuskript eines Briefes an Kaiser Karl V. zu sehen, das Luther am 28. April 1521 in Friedberg auf dem Rückweg von seinem Verhör auf dem Wormser Reichstag verfasste. Es gehört zum Unesco-Weltdokumentenerbe.

„Hie stehe ich, ich kann nicht anders“ hat Luther nie gesagt

Zwei Bilder illustrieren „H wie Hier stehe ich“. Der kolorierte Holzschnitt von 1557 zeigt den etwas unscheinbar wirkenden Luther, den thronenden Kaiser sowie neun weitere Herren geistlichen oder weltlichen Standes auf dem Reichstag zu Worms. Es handelt sich um die älteste Darstellung von Luthers Weigerung, seine 95 Thesen von 1517 und weitere Schriften zu widerrufen. Ins Bild gesetzt sind die Worte: „Hie stehe ich, ich kann nicht anders, Got hulffe mir, Amen“. Kuratorin Katrin Herbst stellt klar: „Diese berühmten Worte sagte er so aber nie. Sie sind eine nachträgliche Ergänzung, eine Formel für diesen persönlichen wie weltgeschichtlichen Schicksalsmoment.“

Die Thesentür an der Schlosskirche in Wittenberg
Die Thesentür an der Schlosskirche in WittenbergImago / Eberhard Thonfeld

Den Moment hat der Maler Hermann Freihold Plüddemann in einem schwülstigen Historien­gemälde dargestellt. Das vielfigurige Großformat von 1864 stellt Luther in den Mittelpunkt. Er stützt sich mit der Linken auf den Stapel der Schriften, die er widerrufen soll, während er mit der Rechten nach oben weist, sich also auf Gott beruft. Aber auch die dunkle Seite Luthers steht im Blickpunkt. Unter „J wie Judentum“ entdecken wir seine Schmähschrift „Von den Juden und ihren Lügen“ (1543).

„Ein feste Burg ist unser Gott“: Luthers berühmtestes Lied

Löbliches findet sich hingegen in der Station „G wie Gesangbuch“. Luther legte großen Wert auf den Gemeindegesang. Durch ihn wirken die Gläubigen aktiv an der Verkündigung des Evangeliums im Gottesdienst mit. Luther war Herausgeber des Gemeindegesangbuchs „Geistliche Lieder aufs Neue gebessert zu Wittenberg“. Von der Erstauflage, die 1529 in Druck ging, scheint kein Exemplar erhalten zu sein. Zu sehen aber ist das einzige erhaltene Büchlein der zweiten Auflage, die auf 1533 zurückgeht.

Turm der Schlosskirche in Wittenberg
Turm der Schlosskirche in WittenbergImago / Richard Wareham

Aufgeschlagen ist die Doppelseite mit dem Text und der Notation von „Ein feste Burg ist unser Gott“. Es ist die früheste Quelle zu Luthers berühmtestem Lied. Das Gesangbuch enthält Lieder Luthers und von Personen aus seinem Umkreis, vorreformatorische Gesänge und laut Vorwort „lieder aus der heiligen schrifft, so die lieben Patriarchen und Propheten vorzeiten gemacht und gesungen haben“. Zu den Texten und Notationen treten kleine Gebete und 21 Holzschnitte mit biblischen Szenen.

Von der Lutherstube zum Touristenort

Ein unscheinbarer Holzspan steht für „Z wie Zuhause“. Luthers Wohnhaus befindet sich gleich neben dem Augusteum. Zunächst lebte Luther dort als Mönch, später mit seiner Ehefrau: der entlaufenen Nonne Katharina von Bora. Sie führte einen großen Haushalt, dem neben Gatten und Kindern auch Studenten und Professoren der Universität Leucorea und wechselnde Gäste angehörten.

Im momentan geschlossenen Lutherhaus sind aus der Zeit des Reformators unverändert die Lutherstube und angrenzende Räume erhalten. Der nun im Augusteum ausgestellte Span stammt aus der Lutherstube. Um 1900 löste ihn eine amerikanische Touristin aus dem Dielenboden neben dem Tisch, an dem Luther seine berühmten Gespräche führte. Später bekam die Amerikanerin ein schlechtes Gewissen und gab den Span zurück. Projektionen an den Wänden eines Ausstellungskabinetts stellen uns in fünf Szenen die Entwicklung der Lutherstube vom Wohnraum zum Gedächtnisort und Touristenziel vor.

Die Ausstellung „Buchstäblich Luther. Facetten eines Reformators“ ist bis zum 6. Januar 2025 im Augusteum, Collegienstraße 54, Lutherstadt Wittenberg, zu sehen. Mehr Infos: www.luthermuseen.de