Ausrangierte Handys – die Rohstoffquelle in der Schublade

Das Metall der alten Handys in Deutschland reicht nach einer Studie aus, um für die nächsten zehn Jahre Mobiltelefone zu produzieren – rein rechnerisch. Denn das Recycling hat seine Tücken.

Alte Handys gehören in eine Sammelstelle für Elektroschrott
Alte Handys gehören in eine Sammelstelle für ElektroschrottImago

Gold, Palladium oder Platin schlummern nicht nur tief im Boden. Fast jeder Haushalt in Deutschland hat solche seltenen Rohstoffe in der eigenen Wohnung gehortet, darunter alte Elektrogeräte wie defekte Fernseher, klapprige Laptops und Schubladenhandys.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) macht das Potenzial deutlich: Das Metall der ausrangierten Handys in Deutschland reiche aus, um den Materialbedarf für Smartphones für die nächsten zehn Jahre zu decken. Die IW-Studie schätzt den Gesamtmetallwert der ungenutzten Handys in Deutschland auf rund 240 Millionen Euro. Gleichzeitig entspricht der Materialwert der im Jahr 2021 verkauften Smartphones in Deutschland 23,5 Millionen Euro.

Jede Menge Elektroschrott

Nach einer Anfang Dezember veröffentlichten Bitkom-Studie bewahren die Menschen in Deutschland rund 300 Millionen alte Handys, Laptops oder Tablets zu Hause auf, darunter circa 210 Millionen Handys in Schubladen. 87 Prozent der Bürger haben mindestens ein ausrangiertes Smartphone. Jeder zweite Befragte besitzt eigenen Angaben zufolge sogar mehr als drei Alt-Handys.

In einem Smartphone sind laut Bitkom rund 60 einzelne Komponenten verarbeitet, darunter Aluminium, Kobalt, Lithium, Magnesium, Titan und Phosphor – aber auch Edelmetalle wie Kupfer, Nickel und Gold. „Die Herstellung eines Smartphones benötigt viele Rohstoffe, Energie und Ressourcen“, betonte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Rohstoffe, die auf dem Weltmarkt in Zeiten von Lieferschwierigkeiten und Konflikten nicht einfach zu bekommen sind.

Im Hausmüll haben alte Handys nichts zu suchen
Im Hausmüll haben alte Handys nichts zu suchenImago / Mis

Die heimische Schublade als riesige Rohstoff-Quelle. Allerdings sieht die Realität anders aus, weil nicht alle Schubladenhandys dem Recycling zugeführt werden und außerdem komplett recycelbar sind. Dennoch raten die Autoren der Studie zum Ausbau der Kreislaufwirtschaft und zum „Urban Mining“ – also zur Rohstoffrückgewinnung im eigenen Haushalt. Die Gewinnung und Nutzung der Rohstoffe aus Altgeräten schütze langfristig nicht nur die Umwelt. Es mache die deutsche Wirtschaft und die Verbraucher auch unabhängiger von Exportländern wie China, heißt es.

Nicht effizient genug

Gleichzeitig sind aus Sicht der Studienautoren viele Recyclingprozesse noch nicht effizient genug; die Wiederverwertung lohne sich betriebswirtschaftlich nicht. Der reine Metallwert eines alten Handys liegt bei 1,15 Euro, die Kleinteiligkeit der Geräte erschwere das Recycling. „Besser wäre es, bereits bei der Produktentwicklung Abfälle zu vermeiden oder die Geräte und ihre Komponenten für eine Wiederverwendung professionell aufzubereiten“, sagt Studienautorin und Kreislaufwirtschaftsexpertin Adriana Neligan.

Ein erster wichtiger Schritt wäre, dass die Verbraucher ihre ungenutzten Altgeräte zurückbringen. Aber auch die Politik müsse hier unterstützen, Tempo machen und für bessere Anreize bei der Sammlung sorgen. Mittlerweile bieten viele Händler sogenannte Refurbed-Produkte an. Gemeint sind Smartphones oder Laptops, die erst generalüberholt und dann günstiger weiterverkauft werden.

Eine gute Idee: die Handy-Spende

Defekte Geräte hingegen können zum Beispiel an gemeinnützige Organisationen oder Hilfswerke gespendet werden. Das Internationale katholische Missionswerk Missio Aachen hat gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern in den vergangenen sechs Jahren über 400.000 alte Handys für den guten Zweck gespendet bekommen.

Das Hilfswerk verweist darauf, dass die schöne Welt der Mobiltelefone eine „dunkle, blutige Seite“ habe. „Rebellengruppen im Ostkongo erobern Coltanminen und verkaufen illegal das seltene Erz, das für die Herstellung von Handys benötigt wird. Die Zivilbevölkerung wird brutal vertrieben.“

Missio fordert in seiner „Aktion saubere Hände“ die Handyhersteller auf, die Lieferketten zu überprüfen und von ihren Lieferanten den Nachweis zu verlangen, dass sie für die Produktion der Handys kein Coltan aus der Demokratischen Republik Kongo verwenden, von dessen Handel Milizen profitieren. Sie sollten sich an „runden Tischen“ beteiligen, bei denen die betroffenen Händler, Kleinschürfer, Zertifizierer und Regierungsstellen gemeinsam Richtlinien erarbeiten, wie Transparenzinitiativen gestaltet sein sollen.