Auguste Victoria: Eine Kaiserin im Kirchenbaufieber
Viele Kirchen in Berlin wurden durch das Engagement von Kaiserin Auguste Victoria gebaut. Im Volksmund nannte der Berliner sie auch deshalb gerne „Kirchenjuste“.
Zahlreiche Kirchen in Berlin und Potsdam verdanken wir Kaiserin Auguste Victoria (1858-1921). Durch den enormen Bedarf an Kirchen und neuen Gemeinden gab es zu ihrer Zeit ein regelrechtes „Kirchbaufieber“. Berlin als Industriestadt wurde Ziel derer, die sich in den Städten ein besseres Leben vorstellten. Viele von ihnen lehnten zusammen mit der Monarchie auch die Kirche und alte Ordnungen ab. Die erzkonservative Amtskirche blieb schwerfällig, wusste nicht, mit den sozialen Herausforderungen der Zeit umzugehen. Für die wenigen Ortsgemeinden entwickelte sich das rasant zum Problem. Ein Pfarrer musste sich in manchen Fällen um 100 000 Gemeindeglieder kümmern und die Kirchen waren immer überfüllt.
Eine Kronprinzessin mit sozialem Blick
Auguste Victoria, damals noch Kronprinzessin, sah die Missstände. Religiös und bescheiden erzogen, wendete sie sich den wohltätigen Aufgaben am Hof zu. Im März 1888 wurde sie Mitbegründerin des „Evangelisch-kirchlichen Hilfsverein zur Bekämpfung der religiös-sittlichen Notstände in Berlin und anderen Städten und Industriegebieten“. Der Verein sollte das Diakonienetz und die geistliche Versorgung in Städten ausbauen.
Schon ein Jahr nach der Gründung des Vereins konnte im Mai 1890 die erste Kirche in Rummelsburg gebaut werden. Immer wieder appellierte die Kaiserin an reiche Berliner Gemeinden, sie zu unterstützen. Der Kampf um Baugenehmigungen war ermüdend. 1890 entstand ein neuer Verein für solche Aufgaben. Weitere Grundsteine wurden gelegt, etwa im Wedding, in Kreuzberg und in Schöneberg. Der Zeit entsprechend entstanden große und prunkvolle Kirchenbauten, mit dem Argument, für weniger würden reiche Spender ihr Geld nicht hergeben.
Kaiserin Auguste Victoria wird in Berlin zur „Kirchenjuste“
Auguste Victoria hoffte, dass diese Orte Anlaufstelle würden für die wachsende Zahl der Neubürger. Obwohl sie sich nebenbei noch um ihre Familie kümmerte, ging jeder Antrag und Entwurf durch ihre Hand. Ihr Baustil und das Festhalten an alten Sitten machen sie heute zu einer kontroversen Figur. Vielleicht der Grund, weshalb man sie im Volksmund gern naiv-fromm als „Kirchenguste“ oder „Kirchenjuste“ bezeichnet. Ihr elitäres Denken und ihre Vorliebe für Veraltetes sind durchaus kritisch zu sehen. Doch aus dem Berliner Stadtbild sind ihre Kirchen heute nicht mehr wegzudenken.
Das im Wichern-Verlag erschienene Buch „Auguste Victoria“ von Angelika Obert ist im Buchhandel für 14,96 Euro erhältlich.