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Auftakt der Buchmesse: Weimer warnt vor “digitalem Kolonialismus”

Zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse hat Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) eindringlich vor den Bedrohungen des Literaturbetriebs durch die großen Tech-Konzerne gewarnt. „Amerikanische und chinesische Tech-Giganten trainieren ihre KI-Systeme mit Milliarden von Werken, ohne die Einwilligung der Urheber einzuholen, geschweige denn, ihnen auch nur einen Cent zu zahlen“, sagte Weimer am Dienstag in Frankfurt am Main. Völlig ungeniert bedienten sie sich aus dem Fundus geistigen Eigentums rund um den Globus.

So würden Kulturen weltweit zu vermeintlichen Rohstofflieferanten degradiert und schamlos ausgebeutet, führte Weimer aus. „Das ist digitaler Kolonialismus, den wir nicht länger hinnehmen dürfen“, erklärte der Staatsminister laut vorab veröffentlichten Redeauszügen beim Festakt zur Eröffnung der Bücherschau, die bis Sonntag dauert.

Die Buchmesse ist ab Mittwoch zunächst für das Fachpublikum geöffnet. Ab Freitag sind alle Interessierten auf dem Messegelände willkommen. Aussteller aus mehr als 90 Ländern sind angemeldet, über 1.000 Autorinnen und Autoren werden erwartet. Ehrengastland der Buchmesse sind in diesem Jahr die Philippinen, die mit mehr als 100 Autorinnen und Autoren und gut 65 Literaturveranstaltungen teilnehmen.

Auch Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, übte deutliche Kritik an mangelnder Regulierung der Künstlichen Intelligenz (KI). Sie sprach von einer „virtuellen Welt, in der zunehmend einige Milliardäre darüber entscheiden, welche Algorithmen uns welche Inhalte ausspielen“. Unter dem Deckmantel des Fortschritts hätten sich verantwortungslose Männer Machtpositionen gesichert, mit deren Hilfe sie „demokratische Gesellschaften sukzessive aushöhlten“.

Die KI müsse den Menschen dienen, nicht umgekehrt, sagte Schmidt-Friderichs vor der Eröffnungsveranstaltung am Dienstag. Für die Texte, die eingespeist werden, müssten die Autoren eine faire Vergütung bekommen. Zudem müsse demokratisch entschieden werden, wer für was die Veranwortung übernimmt. Es könne nicht angehen, dass große Plattformen die Verantwortung für Inhalte ablehnen, die sie selbst einspielen, sagte die Verlegerin.

Buchmesse-Direktor Juergen Boos lud die Besucher der Messe zum Dialog ein. Gerade „in dieser polarisierten Zeit“ könne die Buchmesse Menschen verbinden und ein „globaler Resonanzraum für den Austausch auf Augenhöhe“ sein, sagte er vor Beginn der Literaturschau

Eine Möglichkeit zum dringend notwendigen Dialog biete die 77. Buchmesse unter anderem mit dem kulturpolitischen Programm „Frankfurt Calling – Perspectives on Culture and Politics“, sagte Boos. Das sei ein Ort für den Dialog über Menschenrechte und Meinungsfreiheit ebenso wie über Gaza und die Ukraine sowie über Strategien des demokratischen Widerstands gegen Autoritarismus. Ihr Kommen zugesagt haben den Angaben zufolge unter anderen die Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa, der ehemalige Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, die Schriftstellerin und TV-Moderatorin Thea Dorn und der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel.

Als eine Zäsur bezeichnete die Berliner Autorin Nora Haddada die vergangenen zwei Jahre in Deutschland. Während sich die Grenze des Sagbaren nach rechts immer weiter verschoben habe, werde links diskutiert, welche Worte man sagen dürfe. Die Autorin kritisierte die deutsche Medienlandschaft, die versuche, die Kriegsverbrechen in Gaza kleinzureden, und monierte, dass nur wenige Autoren ihre Stimme gegen das dortige Grauen erhoben hätten.