Aufschub für Assange

Wikileaks-Gründer Julian Assange wird vorerst nicht an die USA ausgeliefert. Der britische High Court in London befand am Dienstag, der Journalist dürfe gegen die Entscheidung Großbritanniens zur Auslieferung in Berufung gehen, sofern die USA keine ausreichenden Versicherungen für einen rechtsstaatlichen Prozesss gegen ihn abgeben würden.

Am 20. Mai will der High Court endgültig entscheiden, ob mögliche Versicherungen der US-Seite ausreichen sind oder ob er die Berufung erlaubt. „Mr. Assange wird deshalb nicht sofort ausgeliefert“, hieß es in der schriftlichen Stellungnahme des Gerichts.

Die britische Regierung hatte im Juni 2022 die Auslieferung an die USA beschlossen. Washington wirft dem Journalisten Spionage vor. Ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft. Ohne die Entscheidung der obersten britischen Richter hätte Assange binnen weniger Tage an die USA überstellt werden können.

Wikileaks hatte 2010 mit der „New York Times“, dem „Guardian“ und dem „Spiegel“ Auszüge aus Militärprotokollen veröffentlicht, die unter anderem Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan und dem Irak belegten.

Seit 2019 sitzt Assange im britischen Hochsicherheits-Gefängnis Belmarsh nahe London in Untersuchungshaft. Davor hatte er von 2012 bis 2019 Zuflucht in der ecuadorianischen Botschaft in London gesucht.

Der High Court befand, dass Assange in drei von neun Punkten bei einer Berufung eine reelle Aussicht auf Erfolg habe. Die USA sollen nun binnen drei Wochen unter anderem eine Versicherung abgeben, dass der Prozess gegen Assange in den USA das Recht auf freie Meinungsäußerung respektiere und die Todesstrafe nicht angewendet würde. Dabei bezogen sich die Richter auf den ersten Verfassungszusatz der USA (Amendment), der die Meinungs- und Pressefreiheit garantiert.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) wertete die Entscheidung als Etappensieg. „Damit steht die Tür einen Spaltbreit offen für späte Gerechtigkeit“, befand DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster und verlangte: „Am Ende muss die Freilassung von Julian Assange stehen.“

Der Schriftstellerverband PEN Berlin forderte ebenfalls die Freilassung des 52-Jährigen und bis dahin humane Haftbedingungen. Sprecherin Eva Menasse erklärte indes, die Entscheidung des High Court bedeute „keine Entscheidung in der Sache“. Assange ist Ehrenmitglied des PEN Berlin.

Amnesty International warnte: Auch bei einer Versicherung aus Washington, Assanges Rechte zu wahren, drohten ihm in den USA Folter und Misshandlung. Von früheren Fällen sei bekannt, dass solche „Garantien“ nicht aufrichtig seien.

„Die USA müssen die politisch motivierte Verfolgung von Assange stoppen“, verlangte Amnesty International. Der Versuch, Assange zu inhaftieren, sende eine Warnung an Journalisten und Publizisten weltweit, dass auch sie ins Visier der Verfolgungsbehörden geraten könnten, wenn sie Verschlusssachen veröffentlichten, selbst wenn dies im Interesse der Öffentlichkeit sei.