Auf Konzertreise durch Japan

Christen in Japan? Gibt es! Allerdings nur sehr wenige. Einige von ihnen hat ein Greifswalder Posaunenchor besucht und herausgefunden, dass Blech und Stäbchen gut zusammenpassen.

Gerrit Marx (Mitte, hinten) und der Posaunenchor der Johannesgemeinde Greifswald
Gerrit Marx (Mitte, hinten) und der Posaunenchor der Johannesgemeinde Greifswaldprivat

Herr Marx, wie kamen Sie auf die Idee, ausgerechnet nach Japan zu reisen?
Gerrit Marx: Durch persönliche Kontakte. Ryoko, eine japanische Physikerin, war vor ein paar Jahren für einen Studienaufenthalt in Greifswald. Sie spielt Waldhorn, suchte einen Platz zum Üben und ist in unserem Posaunenchor gelandet, weil ihr Professor von uns wusste. Drei Monate hat sie begeistert mitgespielt, dann musste sie zurück. Später haben wir uns zu einem Gegenbesuch entschieden.
Wie viele Konzerte haben Sie in Japan gespielt?
Sechs Konzerte in acht Tagen, alle in christlichen Gemeinden. Es war eine gute Mischung aus Freizeit, Leute kennenlernen und Auftritten. Musik in der Gruppe hat etwas Dynamisches und ist ein schönes Vehikel: Man kann sie verstehen, auch wenn man die Sprache nicht spricht.
Sprechen Sie jetzt japanisch?
Ich habe eine Sprach-CD durchgekaut mit den 1000 wichtigsten Wörtern. Als ich während meiner Doktorarbeit vor vielen Jahren schon einmal in Japan war, konnte ich kein Wort japanisch. Wenn ich dann zum Gottesdienst ging, setzte sich bei der Predigt immer ein Mann neben mich, um zu übersetzen. Er war aber leider ein bisschen schwerhörig, also hat er immer sehr laut gesprochen. Ich glaube, die Gemeinde war froh, als ich weg war (lacht)…
Wie viele christliche Gemeinden gibt es in Japan?
Nur vier oder fünf Prozent der Bevölkerung sind Christen, davon ist die Mehrheit katholisch. Meinem Eindruck nach sind die Japaner im Wesentlichen nicht-religiös, und wenn, dann ist es eher ein latenter Buddhismus. Die wenigen Christen, die es gibt, wirken dagegen sehr engagiert, sehr überzeugt. Wie es bei Kirchengemeinden in der Diaspora ja oft der Fall ist. 
Haben Sie sich auch mit dem Buddhismus beschäftigt?
Ja. Ein Tubist aus Tokio, der bei unseren Konzerten mitspielte, war früher Priester in einem buddhistischen Kloster. Er hat uns nach dem letzten Konzert in Tokio mit zu dem Tempel genommen, in dem er seinen Dienst hatte. Es war toll, eine Einführung von ihm zu bekommen: wie man sich einem Schrein nähert, wie man sich richtig verbeugt… Der Glaube ist nicht monotheistisch. Für die Japaner gibt es viele Götter, und in allem steckt ein Gott.
Welche Städte haben Sie besucht?
Wir waren in Tokio, Kyoto, Kobe und Hiroshima. Als wir in Hiroshima den „Atom-Dom“ erreichten, also die Abwurfstelle der ersten Atombombe, herrschte in unserer Gruppe tiefe Betroffenheit. Zu denken, dass genau an dieser Stelle Tausende Menschen im Bruchteil einer Sekunde vernichtet wurden, war ein Schock. 
Sind die evangelischen Gemeinden in den Städten japanisch oder eher international geprägt?
In den Gemeinden, die wir besucht haben, gab es viele Amerikaner, Deutsche und Engländer, die beruflich in Tokio und Kobe zu tun haben, eine christliche Gemeinde gesucht und zum Teil auch gegründet hatten. Diese Gemeinden sind eher westlich geprägt, nutzen dann zum Beispiel das lutherische Gesangbuch der amerikanischen Kirche, mitsamt dem liturgischem Teil und den Andachtstexten. Es gibt aber auch rein japanische Gemeinden, in denen die Gottesdienste auf Japanisch abgehalten werden und die Mitglieder ihre eigene Gottesdienstform gefunden haben. Aber auch die orientiert sich an unserem protestantischen Gottesdienstablauf.
Wie kamen Ihre Auftritte in den Gemeinden an?
Wir haben begeisterte Rückmeldungen bekommen. In Japan gibt es keine kirchlichen Posaunenchöre, nur Blechblasensembles, die konzertante, klassische Musik spielen, meist auf sehr hohem Niveau. Dass wir nicht nur Konzerte gegeben, sondern zum Teil auch im Gottesdienst gespielt haben, fanden viele Gemeindeglieder toll. Auch finanziell war unser Besuch für die Gemeinden hilfreich: Da es uns ums Kennenlernen ging, haben wir kostenlos gespielt, die jeweilige Gemeinde konnte die Besucher um eine Kollekte bitten. Dabei sind zwischen 500 und 1000 Euro an einem Abend zusammengekommen! Viele Gemeinden haben durch die wenigen Mitglieder sehr wenig Geld und sind auch nicht sehr bekannt. Die Gemeinde in Kobe beispielsweise war froh, dass sie mal etwas Besonderes anbieten konnte, um sich sichtbarer zu machen.
Japan wird auch das Land des Lächelns genannt. Sind die Japaner wirklich auffallend höflich, lächeln sie viel?
Ja, sie sind sehr freundlich. Sie leben alle eng zusammen und wollen sich nicht stören. Selbst in der U-Bahn herrscht ein angenehmer Umgang. Wenn man da etwas verliert, wird es einem sofort wiedergegeben. In Berlin wäre das vielleicht anders.
Was haben Sie von der Reise mitgenommen?
Für uns war es einfach toll, Menschen und Gemeinden kennenzulernen und zu erfahren, wie es ist, in Japan zu leben, vor allem für Europäer und Amerikaner. Wir konnten viele neue Kontakte knüpfen und wir wissen schon jetzt, dass es nicht die letzte Fahrt gewesen sein wird. Blech und Stäbchen, das verträgt sich!