Auf dem Campus der Kulturen finden Studenten zusammen

An einer kleinen Fachhochschule für Theologie in Niedersachsen lernen Studenten, mit anderen Kulturen zu leben – und klären auch die Frage, ob Frauen immer noch abwaschen müssen.

Die Theologiestudenten Mawusi Ahialey (v.l.), Nils Singer und Ifeoma Chikogu in ihrer WG
Die Theologiestudenten Mawusi Ahialey (v.l.), Nils Singer und Ifeoma Chikogu in ihrer WGKaren Miether

Hermannsburg. Die Party ist vorbei, alle gehen, niemand wäscht ab – so weit eine klassische Situation in Studenten-WGs. „Jeder dachte, jemand anderes kümmert sich“, sagt Deidré Genevieve Julies aus dem südafrikanischen Kapstadt.
Aber nachdem die 42-Jährige das schmutzige Geschirr im Gemeinschaftsraum des Studentenheimes im niedersächsischen Hermannsburg vorfand, diskutierten sie und ihre Kommilitonen schnell auch andere Fragen. War es nur Schlamperei, oder spielten kulturelle Hintergründe eine Rolle aus Ländern, in denen Hausarbeit noch immer meist Frauensache ist?
Der Campus der Fachhochschule für Interkulturelle Theologie im Heidedorf Hermannsburg ist für seine Größe der wohl internationalste in Deutschland. 100 Studierende aus 22 Ländern sind dort eingeschrieben, sagt Hochschul-Rektor Frieder Ludwig. Etwa die Hälfte von ihnen lebt in den Wohnheimen auf dem Gelände zwischen den Lindenbäumen. Die Atmosphäre ist familiär, auch die Professoren sitzen oft mit am Mittagstisch. „Es ist großartig, eine Chance!“, sagt Nils Singer, der aus Bayern kommt. Und Deidré Genevieve Julies ergänzt: „Wir lernen das Miteinander der Kulturen nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch – a real life experience.“

Studenten kommen aus allen Ländern

Mehr als 160 Jahre lang hat das Evangelisch-lutherische Missionswerk in Niedersachsen in Hermannsburg Missionare für die Arbeit in Afrika, Asien oder Lateinamerika ausgebildet. Mit der Eröffnung der Fachhochschule begann dann 2012 eine andere Zeit. Seitdem kommen Studenten aus Ländern wie Äthiopien, Südafrika, Indien, China, den USA oder Armenien in die Heide – oft gefördert durch Stipendien. Inzwischen ist es eng geworden auf dem Campus, Ausbaupläne sind im Gespräch.
Die drei Studiengänge in Hermannsburg wenden sich an Menschen, die später zum Beispiel in Kirchen, Entwicklungsorganisationen oder der Erwachsenenbildung arbeiten wollen. Auf dem Lehrplan stehen unter anderem Fragen von Entwicklungspolitik und Migration. Zudem wird eine kritische Auslegung von Bibel und Glaubenslehren unterrichtet, die aufnimmt, wie unterschiedlich das Christentum in der Welt praktiziert wird. Neben Christen aus verschiedenen orthodoxen und lutherischen Kirchen oder Freikirchen wie Pfingstlern und Mennoniten sind auch vier Muslime eingeschrieben.

Studium schlägt Brücken

Die jeweiligen Hintergründe der Studenten sind ebenso unterschiedlich wie die Motive, aus denen die Frauen und Männer in die Lüneburger Heide kommen. Deidré Genevieve Julies und ihr Kommilitone Nick Elorm Mawusi Ahialey etwa engagieren sich in der sozialen Arbeit. Sie in Kapstadt, er in Hamburg. In Südafrika sind die Folgen der Apartheid bis heute zu spüren, sagt Julies, die den Masterstudiengang „Interkulturelle Theologie“ belegt hat, den die Hochschule gemeinsam mit der Uni Göttingen anbietet. „Ich bin mit Rassentrennung und sozialer Ungerechtigkeit aufgewachsen. Meine Generation engagiert sich, um die Spaltung zu überwinden.“
Mawusi Ahialey aus Togo gehört zu einer von afrikanischen Einwanderern gegründeten Pfingstkirche in Hamburg. Vor allem die in Deutschland aufgewachsenen Jugendlichen entfernten sich von den Traditionen ihrer Eltern, hat er beobachtet. „Sie erleben einen Clash der Kulturen“, erzählt der 32-Jährige. „Ich brauche die interkulturellen Fähigkeiten, um mit den Jugendlichen besser umgehen zu können.“ Weil auch innerhalb Deutschlands immer häufiger Zuwanderer eigene Gemeinden gründen, wendet sich ein Studiengang gezielt an deren Leiter. „Das Studium schlägt Brücken“, sagt Frank Owusu aus Ghana, Vorsitzender der Gemeinde „International Gospel Center“ in Hannover.

Am Ende haben die Frauen abgewaschen

Auch abseits vom Unterricht lernen sie voneinander, sind die Studenten überzeugt – selbst in der Sache mit den schmutzigen Tellern. Am Ende haben sich drei Frauen erbarmt und abgewaschen, erzählt Julies. „Aber die Männer haben vorher gegrillt“, fügt Mawusi Ahialey lachend an. Und: „Von den Diskussionen haben alle profitiert.“