„Auch hier darf ich für die Menschen da sein“

Über ihre ersten Monate bei der Militärseelsorge schreibt Anne Christ. Sie ist Militärpfarrerin im Militärpfarramt Eckernförde.

Feldgottesdienste im Ausland gehören bei der Militärseelsorge dazu
Feldgottesdienste im Ausland gehören bei der Militärseelsorge dazuPrivat

„Ist das nicht ein ziemlich krasser Wechsel?“ Diese und ähnliche Fragen habe ich in den letzten Monaten häufiger gehört. Sowohl von Soldaten als auch von Freunden und Bekannten aus der Landeskirche. Denn Anfang des Jahres habe ich den Wechsel aus der Nordkirche in die Militärseelsorge gewagt. Und ja, natürlich ist es eine Umstellung.

In der Militärseelsorge zu arbeiten, bedeutet für mich auch, in eine komplett neue Welt einzutauchen, denn die Welt der Bundeswehr war mir vorher gänzlich unbekannt. Besonders am Anfang kam mir da so manches ziemlich merkwürdig vor. Aber ich hatte vom ersten Moment an viele verständnisvolle, offenherzige und freundliche Menschen an der Seite, die mir alles geduldig erklärt und mir geholfen haben. Das hat mir das Einleben sehr leicht gemacht. Und durch Hubschrauberflüge, Seefahrten (über und unter Wasser), Übernachtungen auf Truppenübungsplätzen und Dienstreisen durch halb Deutschland ist die Zeit bisher unheimlich schnell verflogen.

Es ist nicht zu leugnen, dass sich die Arbeit in der Militärseelsorge von meiner vorherigen Arbeit in der Kirchengemeinde unterscheidet. Und doch auch wieder nicht. Denn genau wie in der Kirchengemeinde darf ich hier am Marinestützpunkt Eckernförde vor allem eins: für die Menschen da sein. Und das war und ist mir in meinem Dienst besonders wichtig.

Trauer und Leid gibt es auch bei Soldat:innen

Jesus Christus sagt im Evangelium: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid“ (Matthäus 11, 28). Und genauso sagt er an anderer Stelle: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur.“ (Markus 16, 15). Beide Bewegungen – das Kommen und das Hingehen – darf ich in meiner Arbeit in der Militärseelsorge Tag für Tag erleben. Da gibt es die Soldat:innen, denen etwas auf dem Herzen liegt und die deshalb zu mir kommen. Ihre Sorgen und Nöte unterscheiden sich dabei gar nicht groß von den Sorgen und Nöten, die mir in der Kirchengemeinde begegnet sind.

Da wird mir von familiären Herausforderungen und gesundheitlichen Problemen berichtet, es geht um berufliche Fragen und Zukunftsängste, aber auch um Trauer und Schmerz, weil ein geliebter Mensch gestorben ist. Der Unterschied zur Kirchengemeinde ist hauptsächlich der, dass die Soldat:innen auch wirklich kommen. Es vergeht eigentlich keine Woche, in der nicht mein Telefon klingelt oder jemand vor meiner Bürotür steht und um ein Seelsorgegespräch bittet. Es ist bekannt, dass man bei der Militärseelsorge offene Türen, eine gute Tasse Kaffee und vor allem ein offenes Ohr findet – ganz egal, womit man beladen ist oder was einem das Leben mühselig macht. Deshalb kommen viele vorbei.

Es lohnt sich hinauszugehen

Zugleich habe ich in meinem Dienst aber auch die wunderbare Möglichkeit hinauszugehen. Sooft es mir möglich ist, begleite ich die Soldat:in­nen in ihrem Arbeitsalltag. Hier vor Ort, aber auch auf See oder auf Truppenübungsplätzen. Dadurch kann ich die mir anvertrauten Menschen noch einmal ganz anders kennenlernen. Ich erfahre und erlebe hautnah, was die Herausforderungen ihres Berufsalltags sind, lasse mir alles genau erklären und biete ihnen zugleich die Möglichkeit, mich kennenzulernen. Denn auch das ist in der Militärseelsorge nicht anders als in der Kirchengemeinde: Wenn ich weiß, wer mein Pastor oder meine Pastorin ist, gehe ich da viel lieber hin, als wenn ich ihn oder sie nicht kenne.

Die ersten Monate in der Militärseelsorge haben mir gezeigt, dass es sich lohnt, nicht nur zu warten, dass jemand vorbeikommt, sondern auch hinauszugehen. Dadurch durfte ich viele tolle Leute kennenlernen, habe selbst eine Menge gelernt – und habe erfahren dürfen, dass Interesse für andere Menschen sich auszahlt. Denn wenn ich bei den Soldat:innen vorbeikomme, so kommen sie auch gern bei mir vorbei. Und so durfte ich jetzt schon manchen Feldgottesdienst feiern, bei dem ich mit Menschen zusammen singen und beten und auf Gottes Wort hören durfte, die vorher noch nie in einem Gottesdienst gewesen sind. Was für ein wunderbares Geschenk!

Unsere Autorin
Anne Christ ist Militärpfarrerin im Militärpfarramt Eckernförde.