Atomkraftgegner: Rosatom könnte in Lingen bereits am Werk sein

Ungeachtet des noch laufenden Genehmigungsverfahrens könnte der umstrittene Ausbau der Brennelementefabrik im emsländischen Lingen nach Angaben von Atomkraftgegnern schon angelaufen sein. Darauf deuteten Beobachtungen vor Ort und Hinweise aus der örtlichen Bevölkerung hin, erklärten mehrere Anti-Atom-Initiativen am Donnerstag. Demnach könnten der Betreiber der Anlage und der dem Kreml unterstellte russische Staatskonzern Rosatom „bereits heimlich Fakten schaffen“.

Die Fabrik gehört dem Unternehmen Advanced Nuclear Fuels (ANF), einer Tochter des französischen Atomkonzerns Framatome. Der Betreiber hat beim Land Niedersachsen einen Ausbau der Produktion beantragt. Für die Fertigung von Brennelementen auch für Reaktoren russischer Bauart ist ANF eine Kooperation mit Rosatom eingegangen. Gegen das Ausbau-Vorhaben haben mehr als 11.000 Menschen beim Umweltministerium in Hannover Einwendungen erhoben.

Nach Angaben der Anti-Atom-Initiativen stehen seit dem 12. April auf dem Gelände der Brennelemente-Fabrik in Lingen drei rote Container, die allem Anschein nach mit dem russischen Frachter Baltiyskiy-202 über Rotterdam aus Russland angeliefert worden seien. Im Gegensatz zu den regelmäßigen Uranlieferungen aus Russland seien diese Behälter jedoch nicht mit Gefahrgut-Tafeln gekennzeichnet und enthielten demnach kein radioaktives Material. Zu vermuten sei daher, dass in den Containern Anlagenteile, Maschinen oder Komponenten von Rosatom für die Erweiterung der Brennelementefabrik importiert wurden.

Hinweisen aus der örtlichen Bevölkerung zufolge besuchten in jüngster Zeit regelmäßig russisch-sprechende und offenbar in einem Hotel in Lingen untergebrachte Personen die Brennelementefabrik im Süden der Stadt. Dies deute darauf hin, dass ANF/Framatome unter Beteiligung von Rosatom-Mitarbeitern bereits mit vorbereitenden Arbeiten oder sogar dem Aufbau von Maschinen begonnen habe, ohne die atomrechtliche Genehmigung für die Erweiterung der Brennelemente-Produktion abzuwarten.

„Wenn Framatome/ANF dem Kreml tatsächlich bereits Tür und Tor öffnet und Maschinen und Komponenten des russischen Staatskonzerns anliefern lässt, ist dies eine Ungeheuerlichkeit“, sagte Julian Bothe von der Anti-Atom-Organisation „.ausgestrahlt“. Nicht nur mehr als 11.000 Einwender, sondern auch Landes- und Bundesregierung hätten massive Sicherheitsbedenken gegen den Einstieg von Rosatom in Lingen vorgetragen, unter anderem wegen der Gefahr von Spionage und Sabotage. Die Atomaufsicht müsse den Hinweisen umgehend nachgehen. „Sie muss sicherstellen, dass keine dem Kreml direkt oder indirekt unterstellten Personen Zutritt zur Brennelementefabrik bekommen“, betonte Bothe. „Bereits angelieferte Maschinen und Komponenten müssen konfisziert werden. Das Genehmigungsverfahren darf nicht zur Farce verkommen.“