Atomkraftgegner empört über Entscheidung von Kanzler Scholz

Im Streit über eine längere Laufzeit der Atomkraftwerke hat Bundeskanzler Scholz ein Machtwort gesprochen. Atomkraftgegner aus Niedersachsen kritisieren die Entscheidung.

Das Atomkraftwerk Emsland bleibt bis April 2023 am Netz
Das Atomkraftwerk Emsland bleibt bis April 2023 am NetzPixabay

Lingen/Kr. Emsland. Die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die letzten drei Atomkraftwerke einschließlich des Reaktors Emsland bis April 2023 weiterlaufen zu lassen, löst bei Atomkraftgegnern Empörung aus. Die weitere Nutzung der alternden Kraftwerke sei gefährlich und stelle ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar, erklärten mehrere Anti-Atom-Initiativen im emsländischen Lingen. Die Entscheidung sei rein politisch motiviert, um die FDP zu beruhigen.

Scholz hat entschieden, neben den beiden süddeutschen Atomkraftwerken Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg auch den Meiler Emsland bei Lingen über das Jahresende hinaus bis Mitte April am Netz zu halten. Damit blieben drei statt der von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geplanten zwei AKW in Betrieb – allerdings nur so lange, wie von Habeck gefordert. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte eine Verlängerung bis ins Jahr 2024 angeregt.

„Massive Probleme“

Die Kernkraftgegner kritisierten, die Atomenergie leiste faktisch keinen Beitrag zur Versorgungssicherheit, sondern schaffe massive Probleme. Problematisch sei auch, dass der dringend notwendige Ausbau der erneuerbaren Energien völlig ins Hintertreffen geraten sei. Hinter der Erklärung stehen das Bündnis „Agiel“ von Atomkraftgegnern im Emsland, weitere Anti-Atom-Initiativen aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg kündigte zudem an, sie werde nun ihre Mitarbeit bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle auf Eis legen.

Olaf Scholz fordert schnellere Abschiebungen
Olaf Scholz fordert schnellere AbschiebungenStephan Wallocha / epd

„SPD und Grüne in Berlin brechen für Niedersachsen ihr erstes Wahlversprechen, bevor die neue rot-grüne Landesregierung überhaupt steht“, sagte Alexander Vent für das Lingener Bündnis „Agiel“ von Atomkraftgegnern im Emsland. Für Lingen sei das Kanzler-Machtwort ein Desaster. Die Laufzeitverlängerung sei „ein gefährlicher Poker, der nun auf dem Rücken der Bevölkerung ausgespielt wird“. Die Anti-Atom-Initiativen kündigen für Lingen weitere Proteste an.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Niedersachsen erklärte, der Weiterbetrieb des Meilers in Lingen habe nur einen verschwindend geringem Einfluss auf den Strommarkt. Die Brennelemente seien so weit abgebrannt, dass bereits ab November nur noch eine reduzierte Leistung möglich sei. Zudem habe das Kraftwerk seit drei Jahren keinen TÜV mehr.

Was die Grünen aus Niedersachsen sagen

Die Grünen-Landtagsfraktion in Niedersachsen nannte die „Basta-Entscheidung“ des Kanzlers unnötig, falsch und „in hohem Maße irritierend“. Sie sei fachlich ohne Grundlage und blockiere den Ausbau und die Nutzung der erneuerbaren Energien, erklärten Julia Willie Hamburg und Christian Meyer. Der Stresstest der Bundesregierung habe im Weiterbetrieb dieses Reaktors ausdrücklich keinen Nutzen gesehen.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erklärte unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Entscheidung von Scholz, wenn der Bund entgegen seiner ursprünglichen Einschätzung zu der Überzeugung komme, dass das AKW Emsland bis Mitte April gebraucht werde, werde das Land dafür die Voraussetzungen schaffen. Entscheidend sei, dass der 15. April 2023 als spätestes Ausstiegsdatum feststehe und keine neuen Brennstäbe gekauft würden.

Wochenlanger Streit

In der Ampel-Koalition in Berlin war wochenlang über den Weiterbetrieb der AKW gestritten worden. Bei seiner Entscheidung verwies Scholz auf seine Richtlinienkompetenz als Kanzler. Ministerpräsident Weil und sein Umweltminister Olaf Lies (SPD) hatten in der Diskussion stets signalisiert, dass aus niedersächsischer Sicht ein Weiterbetrieb des AKW Emsland nicht notwendig sei. Das letzte Wort hat nun der Bundestag. (epd)