Asyldeal zwischen Großbritannien und Ruanda: Raus, um jeden Preis

Es ist eine Beharrlichkeit, die wohl seinesgleichen sucht. Trotz mehrerer Gerichtsurteile, die die Pläne des Vereinigten Königreichs, Asylverfahren nach Ruanda auszulagern, als gesetzeswidrig ablehnten, hält die britische Regierung daran fest.

Schutzsuchende, die ohne entsprechende Papiere über den Ärmelkanal nach Großbritannien kommen, sollen demnach in das ostafrikanische Land ausgeflogen werden, um dort ihren Antrag auf Asyl zu stellen. Ein Leben in Afrika, statt in Europa, so die Idee. Denn eins ist klar: Die Rückkehr nach Großbritannien ist in diesem Deal nicht vorgesehen. Mit verschärften Visumsregeln und dem Abkommen mit Ruanda soll die Zuwanderung nach dem Willen der britischen Regierung um mehr als ein Drittel reduziert werden.

Der Abschiebe-Deal, dessen erste Pläne das Vereinigte Königreich und Ruanda im April 2022 vorstellten, ist hochumstritten. Das UN-Flüchtlingshilfswerk und Menschenrechtsorganisationen sehen darin eine Verletzung der Genfer Flüchtlingskonvention, weil die Menschen unter Zwang nach Ruanda gebracht werden sollen. Ein erstes Flugzeug, das im Juni 2022 eine Gruppe von Asylbewerbern nach Ruanda fliegen sollte, wurde kurz vor Abflug gerichtlich gestoppt. Seitdem wurde vor unterschiedlichen Gerichten verhandelt.

Im November wies der Oberste Gerichtshof in London das Vorhaben mit Verweis auf rechtsstaatliche Defizite einstimmig ab. Der Plan sei nach nationalem und internationalem Recht illegal, zudem bestünden Bedenken, dass Ruanda Asylsuchende in Regionen abschieben könnte, in denen sie verfolgt werden könnten. Entsprechend war Ruanda als nicht sicherer Drittstaat eingestuft worden.

Kaum war das Urteil gesprochen, kündigte Großbritanniens Premierminister Rishi Sunak an, den Plan dennoch „zu Ende bringen“ zu wollen – Menschenrechtsgesetze hin oder her. Eine Aussage, die wiederum Ruandas Außenminister Vincent Biruta dazu veranlasste zu betonen, Ruanda werde sich nicht an Menschenrechtsverstößen beteiligen. Ein Bekenntnis mit Beigeschmack, denn das ostafrikanische Land ist nicht gerade dafür bekannt, zimperlich mit Regimekritikern umzugehen. Und dennoch: Der angedrohte Rückzug des afrikanischen Vertragspartners machte das ohnehin schon angespannte politische Klima in London nicht besser.

Denn kurz darauf trat Großbritanniens Staatsminister für Immigration, Robert Jenrick, zurück. Der Grund: Das Vorgehen der britischen Regierung sei nicht scharf genug. Am Dienstag hatten Ruanda und Großbritannien einen erneuten Vertrag unterschrieben, von dem Sunak sagte, er sei juristisch nicht mehr anfechtbar. Hintergrund ist ein von der britischen Regierung vorgelegter Entwurf für ein Notstandsgesetz, das wesentliche Teile des Human Rights Act – einem Gesetz, das die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention festlegt – im Falle Ruandas aushebelt.

Dieser Schritt geht Kritikern zu weit – Jenrick jedoch nicht weit genug. Die Risse, die sich durch die zersplitterte konservative Partei ziehen, sind weithin sichtbar. Die Spekulationen, dass Premier Sunak in seinem Amt angefochten werden könnte, mehren sich. Der Sohn indischer Einwanderer, die zuvor in Ostafrika lebten, hat es sich zum Ziel gemacht, Schutzsuchende abzuweisen, egal wie. So ziert der Spruch „Die Boote stoppen“ schon mal sein Rednerpult bei öffentlichen Auftritten.

Dass Ruanda sich vom Abkommen zurückzieht, ist unwahrscheinlich, aller Beteuerungen zum Trotz. Das britische Innenministerium räumte laut der Zeitung „The Guardian“ jüngst ein, dass es zusätzlich zu der ursprünglichen Zahlung von 140 Millionen Pfund (rund 163 Millionen Euro) weitere 100 Millionen Pfund an Ruanda überwiesen hat. Weitere 50 Millionen Pfund stehen demnach noch aus. Gesamtkosten von 290 Millionen Pfund, mehr als doppelt so viel, wie ursprünglich veranschlagt.