Jung, arm, wütend – und mit Atomwaffen ausgestattet. Pakistans Lage ist explosiver denn je. Eine Arte-Dokumentation blickt auf die brisante Gemengelage in dem südasiatischen Staat.
Die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und die Volksrepublik China gelten nach dem Atomwaffensperrvertrag als Atommächte. Aber auch Länder wie Indien und Pakistan sind im Besitz von Kernwaffen. Dass es zwischen den benachbarten Atommächten Indien und Pakistan zu politischen Konflikten kommt, beunruhigt viele. Die anderthalbstündige Arte-Dokumentation “Pakistan – Atommacht unter Druck” blickt am 22. Juli um 20.15 Uhr genauer hin. Der Beitrag gehört zum Themenabend “Krisenherd Indien – Pakistan”.
Pakistan taumelt seit den 1950er Jahren von Konflikt zu Konflikt. Gerade hat das Land wieder eine existenzielle Krise überstanden. Der Kaschmir-Konflikt mit dem Erzrivalen Indien eskalierte zu einem militärischen Schlagabtausch mit vielen Toten auf beiden Seiten. Die Waffenstillstandslinie zwischen beiden Atommächten gilt als gefährlichste Grenze der Welt – und sogar hier wurde für die Doku gedreht.
Der Film von Michael Richter zeigt, dass das Land ist nicht nur von außen bedroht ist: Islamisten träumen davon, ein Kalifat in Pakistan zu errichten. Mitten in der Hauptstadt Islamabad ruft Imam Abdul Aziz seine Anhänger dazu auf, gegen den pakistanischen Staat zu kämpfen. Ein Gespräch mit dem Imam vor laufender Kamera war für Co-Autor Arsalan Khalid eine große Herausforderung, weil die Moschee engmaschig vom Geheimdienst beobachtet wird, nachdem wenige Wochen zuvor ein bekannter islamistischer Prediger bei einem Anschlag ums Leben gekommen war.
Vor allem die schnell wachsende, sehr junge Bevölkerung ist frustriert. Die Wirtschaft stagniert, und Schulen sind für die überwiegend sehr arme Bevölkerung unbezahlbar. Von den 240 Millionen Pakistanis sind fast die Hälfte, 47 Prozent, 18 Jahre und jünger. Es kommt zu Unruhen; das Militär baut seine Macht auf Kosten der demokratischen Institutionen immer weiter aus. Es bestimmt den politischen Kurs und dominiert auch die Wirtschaft des Landes mit eigenen Industriebetrieben.
Fachleute wie der Historiker Conrad Schetter vom Bonn International Centre for Conflict Studies kommen im Film zu Wort. Ayesha Siddiqa, Politikwissenschaftlerin am King’s College in London, spricht Klartext: “In Pakistan kommt niemand an die Macht ohne die Unterstützung der Armee. So war es bei allen großen politischen Anführern.”
Als Co-Produktion vom Norddeutscher Rundfunk (NDR) und Arte bietet die Dokumentation – von Produzentin und ARD-Moderatorin Sandra Maischberger – viele interessante Einblicke in Land und Leute. Besonders die Expertise und Kontakte von Co-Autor Khalid war laut Filmemacher Richter für die Dreharbeiten in dem fremden Land wichtig: Khalid gehört zu den renommiertesten Journalisten Pakistans.
Seit einigen Jahren befasst sich Richter mit Staaten in der Krise. Die Besonderheit an diesem Auslandsdreh schildert der Filmemacher der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): “Ich habe noch nie Dreharbeiten erlebt, die so durchgängig von den Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten beobachtet wurden.” Praktisch jeden Tag hätten der Regisseur und sein Team Rede und Antwort stehen müssen für das, was sie machen und warum. Zudem seien sie instruiert worden, welche roten Linien auf keinen Fall überschritten werden dürften.
“Es war sehr unangenehm”, erinnert sich der Hamburger. Zugleich sei der Aufenthalt in Pakistan “ein großes Geschenk” gewesen. Schließlich konnten sie ein Land bereisen, das es ausländischen Journalisten, die sich für die politischen Gegebenheiten interessieren, sehr schwer mache. Am beeindruckendsten seien für ihn jedoch immer wieder die Menschen in den Ländern, die er besucht, sagt Richter: Ihn fasziniert, “mit welcher Selbstverständlichkeit sie mit Problemen umgehen, vor denen wir wahrscheinlich längst kapituliert hätten”.
Die Dokumentation ist Teil des Arte-Themenabends “Krisenherd Indien – Pakistan”. Im Anschluss folgen um 21.45 Uhr “Indien – Hass als Ideologie” und danach um 22.40 Uhr die 25-minütige Reportage “Indien: Ramas umstrittener Tempel”.